Machtprojektionen in der Asien-Pazifik-Region
EU plant Rüstungs- und Militärabkommen mit Australien – einem für die USA bedeutender Militärstützpunkt für einen etwaigen Krieg gegen China
Das Großmanöver »Talisman Sabre«, eine regelmäßig abgehaltene Kriegsübung, hat mit mehr als 30.000 Soldaten aus 19 Staaten in diesem Jahr größere Dimensionen als je zuvor. Ausgerichtet wird das Manöver von den USA und Australien, das in Szenarien für einen etwaigen Krieg der USA gegen China hohe Bedeutung als rückwärtiger Truppenstandort in relativer Nähe zur Volksrepublik hat. Im australischen Polit-Establishment herrscht gegenwärtig eine gewisse Unruhe, weil die Trump-Administration den AUKUS-Pakt einer Überprüfung unterzieht. Als denkbar gilt, daß sie Teile der rüstungs- und militärpolitisch bedeutenden Vereinbarung nicht einhält. Canberra ist nun mit der EU über eine Rüstungskooperation im Gespräch.
Kriegsübungen in Australien
Die Beteiligung an Kriegsübungen in Australien gehört für die deutsche Bundeswehr schon zur Routine. Den Anfang machte im Jahr 2021 die Fregatte »Bayern«, als sie damals zu einer mehrmonatigen Asien-Pazifik-Reise aufbrach und dabei auch in Australien Station einlegte. 2022 folgte dann die erste Beteiligung der Luftwaffe an Großmanövern dort, etwa an »Pitch Black«. 2023 wurden Einheiten des Deutschen Heeres nach Australien verlegt, wo sie an dem Großmanöver »Talisman Sabre« teilnahmen. 2024 steigerte die Bundeswehr ihren Übungsradius erneut und schickte zwei Kriegsschiffe – die Fregatte »Baden-Württemberg« und den Einsatzgruppenversorger »Frankfurt am Main« – sowie ein Geschwader der Luftwaffe erstmals auf eine komplette Weltumrundung, die auch Zwischenstopps in Australien und eine erneute Beteiligung an der Kriegsübung »Pitch Black« umfaßte.
In diesem Jahr ist bereits ein Transportflugzeug A400M der Bundeswehr in Australien gewesen. Die Maschine traf dort ebenfalls im Rahmen einer Weltumrundung ein, die sie zuvor nach Abu Dhabi, auf die Malediven und nach Singapur sowie anschließend nach Fidschi, nach Hawaii und in die USA führte. In Australien nahm die 14-köpfige Crew mit der Maschine an der »Avalon Airshow« teil, einer bedeutenden internationalen Luftfahrtausstellung in Südostaustralien.
Wüste und Dschungel
Zur diesjährigen Beteiligung an dem Großmanöver »Talisman Sabre« sind Ende vergangener Woche Soldaten des Deutschen Heeres aufgebrochen. Das diesjährige Manöver, das wie üblich von den Streitkräften Australiens und der USA gemeinsam geplant wird, wird laut australischen Angaben das bisher größte der Serie sein. Involviert sind vom 13. Juli bis zum 4. August mehr als 30.000 Soldaten aus 19 Staaten. Erstmals wird ein Teil des Manövers in Papua-Neuguinea stattfinden. Das Land hatte im Mai 2023 ein Abkommen mit den USA geschlossen, das den USA-Streitkräften freien Zugang zu sechs Militärstützpunkten – darunter Häfen wie auch Flughäfen – gestattet. Die Marinebasis Lombrum, im Norden Papua-Neuguineas auf Manus Island gelegen, wird derzeit von den USA-Streitkräften ausgebaut.
»Talisman Sabre« wird unter anderem amphibische und maritime Operationen, Luftkampf und Manöver zu Land umfassen. Britannien, das militärisch besonders eng mit Australien und den USA kooperiert, entsendet nicht zuletzt eine Flugzeugträgerkampfgruppe (Carrier Strike Group 25) um die »HMS Prince of Wales«. Die deutsche Bundeswehr schickt 200 Soldaten, darunter 160 Fallschirmjäger der Saarlandbrigade. Diese kündigen eine Übung in der Wüste und eine im Dschungel an.
Rüstungs-Kooperation
Gleichzeitig baut die EU ihre Rüstungs- und Militärkooperation mit Australien aus. Am 18. Mai hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Australiens Premierminister Anthony Albanese offiziell ein sogenanntes Sicherheits- und Verteidigungsabkommen vorgeschlagen. Am 17. Juni, am Rande des G7-Gipfels, gaben von der Leyen und Albanese den Startschuß für die Aufnahme von Verhandlungen. Angestrebt wird eine engere Kooperation vor allem auf den Feldern der Rüstungsindustrie und der Cyberabwehr.
Vergleichbare Abkommen hatte die EU bereits zuvor mit mehreren anderen Ländern geschlossen – im November 2024 mit Japan und mit Südkorea, im Mai 2025 mit Britannien, im Juni 2025 mit Kanada. Dabei geht es vor allem darum, andere Staaten in die EU-Rüstungskooperation einzubinden, die energisch intensiviert werden und größere Unabhängigkeit von den USA ermöglichen soll.
Deutsche Rüstungskonzerne sind schon jetzt teils im großen Stil in Australien tätig; ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) bemüht sich zur Zeit um einen Auftrag zum Bau von Fregatten. Australien will seinen Militärhaushalt aufstocken, strebt aber »nur« eine Erhöhung von heute 2,0 auf 2,4 Prozent im Haushaltsjahr 2033/34 an, nicht etwa 5 Prozent wie die NATO.
AUKUS und »America First«
Australien nimmt die Verhandlungen mit der EU über eine Rüstungs- und Militärkooperation auf, während ernste Zweifel am Fortbestand von AUKUS aufkommen, einem Abkommen über Rüstungs- und Militärkooperation zwischen Australien, den USA und Britannien. Die drei Staaten hatten das Abkommen im September 2021 geschlossen; es sieht nicht zuletzt den gemeinsamen Bau von Atom-U-Booten für Australiens Marine vor.
Zugunsten von AUKUS hatte Canberra einen 56 Milliarden Euro schweren Vertrag mit Frankreich über eine Lieferung dieselgetriebener U-Boote gekündigt, was in Paris heftigen Unmut auslöste. Bis die Atom-U-Boote fertiggestellt sind, soll Australien laut dem ursprünglichem Plan U-Boote der Victoria-Klasse aus den USA erhalten. Am 11. Juni bestätigte nun aber das Pentagon, es habe eine Überprüfung des AUKUS-Abkommens eingeleitet, die feststellen solle, ob es »mit der America First-Agenda des Präsidenten« vereinbar sei.
Die Ankündigung hat in Canberra neue Überlegungen ausgelöst. Seit längerem ist bekannt, daß die USA beim Bau ihrer eigenen U-Boote nicht im Zeitplan liegen und die U-Boote der Victoria-Klasse, die sie Australien zugesagt hatten, womöglich selbst benötigen. Dann stünde Australien, weil seine aktuelle Flotte altert, in absehbarer Zeit ohne ausreichende Zahl an U-Booten da.
Chinesische Manöver
Unterdessen weitet China seine Manöver in relativer Nähe zu Australien aus. Bislang handelte es sich bei Militärübungen in internationalen Gewässern des Indischen sowie des Pazifischen Ozeans, die im Westen Aufmerksamkeit erregten, zumeist um Manöver von NATO-Staaten und ihren regionalen Verbündeten, die etwa im Südchinesischen Meer stattfanden und oft auf energischen Protest aus Beijing stießen. Nun aber dehnt auch die Volksrepublik ihren Manöverradius aus.
Wie das Australian Strategic Policy Institute (ASPI) berichtet, schickt China seit 2017 regelmäßig Aufklärungsschiffe in Seegebiete nahe Australiens Norden. Laut dem ASPI geschieht das, um das Manövergeschehen im Rahmen von »Talisman Sabre« zu beobachten. Im Oktober 2024 entsandte China zwei Kriegsschiffe nach Port Vila ins östlich von Australien gelegene Vanuatu; dies habe Chinas Fähigkeit zur »Machtprojektion jenseits seiner traditionellen Einflußgebiete« demonstrieren sollen, urteilt das ASPI. Im Februar folgte ein chinesisches Marinemanöver in der Tasmansee zwischen Südostaustralien und Neuseeland; daran nahmen eine Fregatte, ein Zerstörer und ein Versorgungsschiff teil. Anschließend umrundete die Flotille Australien.
Die Tatsache, daß erstmals nicht westliche Kriegsschiffe vor der chinesischen Küste, sondern chinesische Kriegsschiffe vor der Küste eines westlichen Staates Manöver abhalten, hat in westlichen Fachkreisen erhebliche Reaktionen ausgelöst.