Ausland10. Februar 2024

Niederlage für Ukraine

Internationaler Gerichtshof folgt Vorwürfen gegen Rußland nicht

von Melina Deymann

Der Internationale Gerichtshof (IGH) hat eine Klage der Ukraine gegen Rußland aus dem Jahr 2017 in fast allen Punkten abgewiesen. In der Hauptsache ging es um die Unterstützung der Volksmilizen der Volksrepubliken Donezk und Lugansk. Nach der Abspaltung der beiden Republiken von der Ukraine 2014 hatte Kiew sie mit einem blutigen Krieg überzogen und diesen als »Anti-Terror-Operation« (ATO) bezeichnet.

Für die »Finanzierung von Terrorismus« durch Rußland sah der IGH nun keine Belege. Lediglich zur Aufklärung des Vorwurfs privater Finanzierungen einiger von Kiew behaupteter Taten durch die Amtsträger der beiden Volksrepubliken habe Rußland nicht beigetragen, urteilte der Gerichtshof.

Ebenfalls für unbegründet sah der Gerichtshof die Anschuldigungen, die die Ukraine im Zusammenhang mit der Behandlung von Ukrainern und Krimtataren auf der Krim erhoben hatte.

Die Ukraine konnte, so der Gerichtshof, keinen Nachweis für die behaupteten Diskriminierungen erbringen. Auf der Krim sind nach wie vor neben Russisch auch Ukrainisch und Krimtatarisch Amtssprachen, Diskriminierungen aufgrund ethnischer Herkunft konnte der Gerichtshof weder hier noch in anderen ehemaligen ukrainischen Gebieten erkennen. Rußland habe lediglich nicht genügend unternommen, um die Zahl der auf Ukrainisch unterrichteten Schülerinnen und Schüler zu erhöhen – über deren Rückgang zeigte sich das Gericht besorgt.

Die Mehrheit der Richter erkannte zugleich an, daß Rußland die Möglichkeit des Unterrichts auf Ukrainisch vorhält und insoweit seinen Pflichten nachkommt. Bezüglich des Unterrichts in der Sprache der Krimtataren wies das Gericht alle Anschuldigungen der Ukraine ab: hier habe es weder in quantitativer noch in qualitativer Hinsicht eine nachteilige Entwicklung gegeben. Rußland argumentierte, daß weniger Unterricht auf Ukrainisch gewünscht werde.

Auch von der Ukraine geforderte Schadensersatzzahlungen für den Abschuß des Passagierflugzeugs MH17 lehnte der IGH ab – Anlaß, eine Finanzierung durch Rußland zu vermuten, sah der Gerichtshof nicht.

In den beiden Punkten, in denen der IGH Versäumnisse auf russischer Seite feststellte, erfolgte die Abstimmung mit 13 zu 2 Richterstimmen, in den übrigen Punkten mit 10 zu 5. Gegen Rußland votierten dabei Richter aus Australien, Indien, Italien, Uganda und den USA, für Rußland Richter aus Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Japan, dem Libanon, der Slowakei, Somalia, Südafrika und der von Rußland ernannte Richter.

In einem zweiten von der Ukraine angestrengten Verfahren kam der IGH zu dem Schluß, daß es nicht in seine Zuständigkeit falle, zu bewerten, ob Rußland die Völkermordkonvention zur Begründung des Einmarschs in die Ukraine »mißbraucht« habe. Das Gericht will aber das »Fehlen von Beweisen« prüfen, das Kiew in seiner Klage angeführt hat. Kiew hatte vorgebracht, es gebe keine Beweise für einen durch die Ukraine begangenen Völkermord im Donbass.

Die Entscheidungen des Internationalen Gerichtshof sind eine Niederlage für die Ukraine: Reparationen wurden zurückgewiesen, auch von der Ukraine erhoffte Grundlagen für weitere Sanktionen gegen Rußland gab der Gerichtshof in seinen Urteilen nicht.

Daran ändert auch nichts, daß das IGH im Urteil feststellte, der Einmarsch Rußlands in die Ukraine habe gegen die 2017 erlassene Auflage verstoßen, den Konflikt um den Donbass nicht weiter zu verschlimmern. Denn das gilt auch für die vorangegangene massive Erhöhung des Beschusses der Donbass-Republiken durch die Ukraine.