Ausland25. April 2024

Für Brot und Frieden

20 Jahre nach der Ermordung von Catarina Eufémia erfüllten sich ihre Ideen

von Jutta Markowski

Am 19. Mai 1954 wehren sich die Landarbeiter aus dem Dorf Baleizão gegen die schlechte Bezahlung ihrer Arbeit. Sie streiken für eine kleine Verbesserung ihrer kärglichen Löhne.

Dieses Dorf liegt im Alentejo, der Kornkammer Portugals, wo die sozialen Kontraste schroffer und schärfer aufeinander stoßen als in jedem anderen Gebiet. Hier leben die Proletarier in tiefster Not. Selbst Bauern gibt es kaum, sie waren von den Großgutsbesitzern verdrängt worden. Die armen Landarbeiter sind über viele Monate im Jahr arbeitslos. Und während in den Dörfern Hunger herrscht, leben die Gutsherren in Saus und Braus.

Doch im Alentejo sehen sich die Reichen nicht nur mit der größten Armut, sondern auch mit jenen konfrontiert, die sich der Ursachen ihrer Not am deutlichsten bewusst sind. Sie leisten der Ausbeutung und dem Faschismus konsequenten Widerstand.

An jenem Tag im Mai nahmen 1.500 Landarbeiter ihre Arbeit nicht auf.

Der Grundherr ließ aus anderen Regionen des Alentejo potentielle Streikbrecher herankarren. Als die Fremden auf die Felder geführt wurden, klärten die streikenden Landarbeiter diese über ihren Kampf für bessere Löhne auf. Daraufhin nahmen auch diese die Arbeit nicht auf.

Der Grundbesitzer Fernando Nunes rief die faschistische Nationalgarde zu Hilfe, die mit vorgehaltenen Karabinern die fremden Landarbeiter zur Arbeit zwingen sollten. Kurzerhand gingen die Menschen von Baleizão wieder auf das Feld, wurden jedoch von den Milizionären zurückgedrängt. Schließlich konnten sie durchsetzen, dass eine Gruppe von 15 Frauen des Dorfes, angeführt von Catarina Eufémia, von der einige wussten, dass sie Mitglied des Ortskomitees der illegalen kommunistischen Partei war, auf die Felder gehen durfte, um mit den Streikbrechern zu reden.

Die schwangere 26-jährige Catarina, ihr acht Monate altes Baby auf dem Arm, ging unerschrocken an der Spitze der Frauen auf die Bewaffneten zu. Ein Leutnant der Nationalgarde sprang hinter einem Haufen zum Trocknen aufgeschütteter Saubohnen hervor und rief: »Was willst du, Miststück?«

Catarina antwortete: »Alles, was ich will, ist Brot, um den Hunger meiner Kinder zu stillen. Ich will Frieden! Ich habe Hunger.«

Der Leutnant riss den Säugling zur Seite und legte auf die Streikführerin an. Drei Schüsse durchbohrten Catarina.

Aus Angst vor dem Volk beschlossen die Faschisten, Catarina heimlich zehn Kilometer von ihrem Heimatort Baleizão zu beerdigen. Dennoch konnte der Protest nur mittels brutaler Gewalt unterdrückt werden.

20 Jahre später, kurz nach dem 25. April 1974 und nur wenige Tage vor Catarinas Todestag, kamen die Revolutionäre ins Alentejo. Die Sache, für die eine einfache Landarbeiterin gekämpft hatte, war unbesiegbar geblieben. So wurde die Überführung der sterblichen Überreste Catarinas in ihr Heimatdorf ein großes fröhliches Fest, bei dem die Leute lachten und weinten. Es waren Zehntausende, die sich eng zusammendrängten, sie standen vereint nach 48 Jahren des Schweigenmüssens und der erzwungenen Trennung.

So stand der einstige Dorfschuster aus Baleizão, der mehr als zwei Jahrzehnte in Zuchthäusern der Diktatur erduldet hatte, neben den kommunistischen Kampfgefährten und den Offizieren der Bewegung der Streitkräfte. Sie alle gedachten jener Frau, die für das Leben in den Tod gegangen war. Ihr Kampf wurde fortgesetzt. Der Tag der Erfüllung der großen Ideale, für die Catarina Eufémia gekämpft hätte, war nicht mehr fern.

Im Sommer 1975 nahmen die Landarbeiter das Land der Großgrundbesitzer und gründeten in Baleizão die Landkooperative »Terra de Catarina«.