Leitartikel03. Dezember 2024

Zusammensturz eines Kartenhauses

von Ali Ruckert

Vor einer Woche hatte es noch geheißen, Liberty Steel Düdelingen werde bei Gericht Gläubigerschutz beantragen, um einen Konkurs zu verhindern. Vergangenen Freitag dann meldete das Unternehmen beim Handelsgericht in Luxemburg Insolvenz an. Der Konkursverwalter wird sich nun damit zu befassen haben, ob das Werk, das auf die elektrolytische Verzinkung und Feuerverzinkung von Flachstahl ausgerichtet war, einen geeigneten Abnehmer finden wird, der die verbleibenden 147 Beschäftigten übernehmen und die Produktion wieder ankurbeln wird. Das steht gegenwärtig allerdings noch in den Sternen.

Vor mehr als zwei Jahren war das Düdelinger Werk, das bis vergangene Woche im Besitz von GFG Alliance war – der Holding des britisch-indischen Stahlbarons Sanjeev Gupta –, in ernsthafte Schwierigkeiten geraten, nachdem zuvor die versprochenen Investitionen nicht erfolgt waren und kein Geld mehr da war, um die ausstehenden Rechnungen zu begleichen. Dem vorangegangen war im März 2021 der Konkurs der Finanzgesellschaft Greensill Capital, die der Stahlbaron genutzt hatte, um in der ganzen Welt innerhalb kurzer Zeit zahlreiche Stahl- und Metallbetriebe aufzukaufen.

Lange bevor der Konkurs von Greensill Capital die GFP-Alliance und die Hüttenwerke von Liberty erschütterte, hatten die Kommunisten aus Belgien und Luxemburg auf das Vabanque-Spiel von Gupta aufmerksam gemacht, aber so lange alles halbwegs gutgeht, und die Profite sprudeln, darf man bekanntlich im realexistierenden Kapitalismus alle möglichen riskanten Geschäfte vornehmen, ohne dass die Regierenden sich einmischen. Und selbst wenn es schiefgeht, treten sie den Kapitalisten kaum auf die Zehen.

Die Kommunisten hatten damals darauf hingewiesen, dass Gupta systematisch auf Finanzierungstechniken zurückgriff, die geschaffen wurden, um die tatsächlichen Liquiditätsschwierigkeiten und die Schuldenlage von Unternehmen ganz legal zu verschleiern. Mit Hilfe von Bankern schuf er eine industrielle Pyramide ohne solide finanzielle Grundlage. Immer wenn er ein Hüttenwerk kaufte, stellte er es der Bank als Sicherheit zur Verfügung, um anschließend diese Sicherheit zu nutzen, um ein weiteres Werk aufzukaufen.

Inzwischen ist das Kartenhaus zusammengestürzt, aber Leidtragende sind weder die Banker noch Herr Gupta, sondern die vielen tausenden Stahlarbeiter und ihre Familien auf dem europäischen Kontinent, die inzwischen ihre Arbeit und ihr Einkommen verloren haben oder noch verlieren werden.

Deutlich wird einmal mehr das Versagen der politischen Kräfte, die dieses auf Ausbeutung und Profitmaximierung beruhende System unterstützen. Denn die sind es, die erstens den Privatbesitz an den großen Produktionsmitteln mit Händen und Füßen verteidigen, obwohl er gegen die Interessen der Schaffenden und der Allgemeinheit gerichtet ist, und zweitens, indem sie Gesetze verhindern, welche die Macht der Kapitalisten einschränken würden.

Kommt es dann zu Schließungen wie bei Liberty oder wie vor Jahren bei ArcelorMittal, als der Konzern das Schifflinger Hüttenwerk stillegte, weil es in den Augen der Aktionäre »zu wenig« Profit abwarf, jammern die Regierenden den Schaffenden vor, der Staat habe keine Handhabe, da es für eine Verstaatlichung kein Gesetz gebe.

Tatsächlich aber fehlt der politische Wille, um Großbetriebe zu verstaatlichen und erst recht, um sie unter Arbeiterkontrolle zu stellen, wie das die Kommunisten fordern.

So dass die Mittals und Guptas dieser Welt ihr Unwesen weitertreiben dürfen, solange die Schaffenden sie nicht daran hindern.