Ausland31. August 2023

Syrien kommt nicht zur Ruhe

Proteste in Sweida entspannt

von Karin Leukefeld

Mit rund 150 Teilnehmern sind die Proteste in der südsyrischen Stadt Sweida am 10. Tag in Folge deutlich zurückgegangen. Drusische Stammesführer und religiöse Führer hatten seit Tagen zwischen den Demonstranten und Regierungsvertretern vermittelt.

Scheich Joseph al-Jarbou, einer der religiösen Führer der Drusen erklärte, Sweida sei Teil von Syrien und eine Loslösung der Provinz – wie von einigen der Demonstranten gefordert worden war – werde nicht akzeptiert. Bei den jüngsten Protesten seien »widersprüchliche Stimmen und falsche Forderungen aufgetaucht«, wurde der Scheich in der syrischen Tageszeitung »Al Watan« zitiert. Die syrische Fahne sei die Fahne der Nation und »das Volk von Sweida wird nicht von den Entscheidungen des Staates abweichen«. Sweida wie Syrien würden von Präsident Baschar al-Assad regiert, so der Scheich.

Während Beobachter in Sweida, die namentlich nicht genannt werden möchten, berichteten, in der Stadt herrsche angespannte Ruhe, noch immer seien Straßen, zahlreiche Geschäfte und öffentliche Einrichtungen geschlossen, hieß es in »Al Watan«, daß Sweida offenbar bemüht sei, zum normalen Alltag zurückzukehren. Der Transport zwischen den umliegenden Dörfern und dem Stadtzentrum werde wiederaufgenommen, die Menschen könnten in den meisten Fällen ihre Arbeitsplätze erreichen.

Staatsbeamte eingeschüchtert

In den vergangenen Tagen hatten einzelne Gruppen Zugangsstraßen nach Sweida gesperrt, vereinzelt wurde von Entführungen berichtet. Staatliche Einrichtungen, wie das Gericht wurden weiterhin von Demonstranten an der Arbeit gehindert, innerhalb des Gerichtsgebäudes soll es zu Beleidigungen und tätlichen Übergriffen gekommen sein. Der amtierende Staatsanwalt und Richter Fouad Salloum wurde mit der Aussage zitiert, man tue alles, um die Arbeit ungestört fortsetzen zu können. Eine Gruppe von Demonstranten habe vom Beginn der Proteste an versucht, die öffentlichen Einrichtungen in Sweida zu schließen und sie hätten die Angestellten, von denen die Mehrheit Frauen seien, eingeschüchtert und bedroht.

Die Proteste in Sweida hatten sich auch auf die benachbarte Provinz Deraa ausgeweitet, die seit 2011 nicht zur Ruhe kommt. Obwohl nach verschiedenen Versöhnungsveinbarungen zahlreiche oppositionelle Kämpfer ihre Waffen abgaben und Tausende Vertriebene in die die Provinz zurückkehrten, kommt es immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen, Morden und Explosionen. Beobachter führen die Unruhe auch auf die Grenzlage zu Jordanien zurück, wo zahlreiche Schmugglerbanden versuchen, Waffen, Drogen und anderes über die Grenze transportieren.

Die Lage bleibt unruhig

Israel hatte am vergangenen Montag erneut den Flughafen von Aleppo bombardiert und eine der zwei Landebahnen zerstört. Der Flughafen ist seit dem Erdbeben am 6. Februar wichtiger Umschlagplatz für Hilfsgüter. Bereits in der Nacht zu Mittwoch war die Landebahn von syrischer Seite wieder repariert und der Flugverkehr konnte wieder aufgenommen werden.

Im Nordosten hält der Drohnenkrieg der Türkei mit gezielten Morden an Kadern der kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) an. Arabische Stammesverbände liefern sich Kämpfe mit den SDF. Hintergrund ist die Festnahme von Rashid Abu Khawla, dem Vorsitzenden des Militärrates von Deir Ez-Zor, der sich aus arabischen Stämmen rekrutiert und eigentlich mit SDF kooperieren soll. Khawla war Berichten zufolge von den SDF mit weiteren hochrangigen militärischen Führern zu einem »wichtigen Treffen« auf eine Militärbasis in Al Hasakeh eingeladen und dort festgenommen worden. Die SDF äußern sich bisher nicht dazu.

In Idlib sind die militärischen Auseinandersetzungen zwischen den syrischen Streitkräften und bewaffneten Kräften der Terrortruppe »Hayat Tahrir al-Sham« eskaliert, nachdem diese eine Stellung der syrischen Armee angegriffen hatte. Eine unbekannte Zahl von syrischen Soldaten wurde getötet, als eine Sprengladung, die die Kämpfer in einem Tunnel unter der Armeestellung deponiert hatten, zu Explosion gebracht wurde. Die russische Luftwaffe griff daraufhin am vergangenen Wochenende mindestens vier Stellungen von Hayat Tahrir al-Sham an.

UNO bringt Hilfe zu Erdbebenopfern

Derweil wurde gemeldet, daß seit dem schweren Erdbeben am 6. Februar 2000 von der UNO organisierten Hilfstransporte aus der Türkei über den Grenzübergang Bab al-Salam in betroffene Gebiete im Nordwesten Syriens gebracht wurden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) konnte Kliniken in Afrin und Azaz und auch örtliche Lager besuchen, in denen medizinische Hilfsgüter deponiert werden. Beide Orte werden von der Türkei und mit der Türkei verbündeten bewaffneten Gruppen kontrolliert. Die Not sei weiterhin groß, erklärte UNO-Sprecher Stephane Dujarric in New York.

Drei republikanische Abgeordnete des USA-Repräsentantenhauses fuhren unter dem Schutz einer türkischen Militärkontrolle am 27. August 2023 ebenfalls über den Grenzübergang Bab al-Salam in das von bewaffneten Regierungsgegnern kontrollierte Idlib. Begleitet wurden French Hill (Arkansas), Ben Cline (Virginia) und Scott Fitzgerald (Wisconsin) von Mitarbeitern der Syrischen Emergency Task Force (SETF Syrische Notfall-Einsatzgruppe), die den drei Abgeordneten eine Schule vorstellten, die von SETF geleitet wird.

Während die drei Abgesandten aus den USA in Stellungnahmen jegliche »Normalisierung« mit der syrischen Regierung ablehnten, gingen Proteste in Deraa und in Provinz Sweida weiter. Seit einer Woche protestieren dort Menschen gegen die enormen Preiserhöhungen, die vor allem durch den Stopp der Subventionierung von Benzin und Öl verursacht wurden. Drusische Geistliche vermittelten zwischen Regierung und Demonstranten.

Der iranische Außenminister Hossein Amir-Abdollahian traf am Mittwoch mit seinem syrischen Amtskollegen Feisal Mekdad in Damaskus zusammen. Beide äußerten sich auf einer Pressekonferenz zur erfreulichen Entwicklung der bilateralen Beziehungen. Hossein Amir-Abdollahian reiste anschließend nach Beirut weiter.