Vietnam bekräftigt konsequente Außenpolitik der Unabhängigkeit
Zum Besuch von USA-Kriegsminister Lloyd Austin in Hanoi
Der Kriegsminister der USA, Lloyd Austin, stattete am 28. und 29. Juli auf Einladung des vietnamesischen Verteidigungsministers Phan Van Giang Vietnam einen offiziellen Besuch ab. Wie die staatliche Nachrichtenagentur Vietnam News Agency (VNA) berichtete, handelte es sich um den ersten Besuch eines hochrangigen Mitglieds der Regierung von USA-Präsident Joe Biden in dem Land. Es ging um die Zusammenarbeit bei der Beseitigung von Kriegsfolgen – vor allem die Dioxinentgiftung auf dem ehemaligen USA-Luftwaffenstützpunkt Bien Hoa und anderen Orten –, um die Strafverfolgung auf See (Piraterie), die bereits 2011 in einem »Memorandum of Understanding« den Ressorts der Verteidigungsminister übertragen wurden. Neu aufgenommen wurde die medizinische Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Covid-19-Epidemie, bei der die Gesundheitsbehörden ebenfalls mit Angehörigen der Polizei und Armee zusammenwirken.
Austin wurde von Staatspräsident Nguyen Xuan Phuc und Premier Pham Minh Chinh empfangen. Laut VNA gab das Präsidentenamt danach bekannt, daß USA-Vizepräsidentin Kamala Harris demnächst Hanoi besuchen werde. Im Gegensatz zu westlichen Meldungen, die ausschließlich von einer militärischen Zusammenarbeit berichteten, betonte der vietnamesische Premier den Schwerpunkt der Kooperation in den Bereichen Handel-Investitionen, Klimawandel, Wissenschaft-Technologie, Bildung und Ausbildung. Hier will Vietnams sein Potenzial in Bereichen wie der Infrastruktur, Transport, Humanressourcen und erneuerbarer Energie einbringen.
Dem diene, wie Präsident Xuan Phuc erwähnte, eine kürzlich zwischen dem USA-Finanzministerium und der Staatsbank von Vietnam erzielte Vereinbarung über einen Währungsaktionsplan, um die wirtschaftliche Zusammenarbeit beider Seiten voranzutreiben. Erörtert wurde ferner die Rolle der südostasiatischen Staatengruppe (ASEAN), zu der eine eingerichtete Verteidigungsministerkonferenz (ADMM+) gehört.
In dem Verband Südostasiatischer Staaten spielt Vietnam als eine führende Wirtschaftsmacht Südostasiens eine gewichtige Rolle. Im Juni 2020 richtete Hanoi per Video-Konferenz den 36. Gipfel der Regierungschefs der ASEAN aus. Im November 2017 war Vietnam Gastgeber des Gipfeltreffen der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) in Da Nang. 2019 war Hanoi Austragungsort des zweiten Gipfeltreffens der Staatschefs der USA und der KVDR, Donald Trump und Kim Jong Un.
Drüber, daß Lloyd Austin, wie Reuters aus Hanoi berichtete, Forderungen von Joe Biden nach »Fortschritten bei den Menschenrechten« zur Voraussetzung der weiteren Entwicklung der Zusammenarbeit überbracht habe, wurde nichts bekannt.
Laut westlichen Medien kamen die bekannten Streifragen über die Gewässer im Süd-, Ostchinesischen und Gelben Meer zur Sprache, zu denen die Spratly- und Paracel-Inseln gehören, auf die China und Vietnam, aber auch Taiwan, Malaysia, Brunei und die Philippinen Ansprüche erheben. Die USA haben bekanntlich die Pazifik-Region zum zentralen Schauplatz der Durchsetzung ihrer Weltherrschaftspläne mit Stoßrichtung gegen die Volksrepublik China erklärt. In diesem Kontext ist zu sehen, daß Pentagonchef Austin zuvor bereits Singapur besuchte, und er anschließend zu einem ein Besuch auf die Philippinen reiste.
Zu neu aufgelegten Spekulationen, wie sie auch die Deutsche Presseagentur dpa verbreitete, laut denen der USA-Kriegsminister Vietnam im Rahmen einer Stärkung der militärischen Zusammenarbeit beider Länder »gegen den Einfluß Chinas in der Region« gewinnen wollte, bekräftigte Premier Pham Minh Chinh den bekannten Standpunkt, daß Vietnam eine »konsequente Außenpolitik der Unabhängigkeit« verfolge, die Grundlage seiner »Partnerschaft mit den USA« sei, um »zum Wohle des Friedens, der Stabilität und der Entwicklung in der Region und der Welt« beizutragen.
Zum Abschluß der Gespräche wurde im Beisein beider Minister ein »Memorandum of Understanding« über die Zusammenarbeit bei der Suche, Sammlung und Identifizierung von Überresten vietnamesischer gefallener Soldaten (im USA-Krieg von 1965 bis 1975) unterzeichnet. Vietnam sicherte zu, weiter bei der Suche nach den sterblichen Überresten vermißter USA-Soldaten umfassend und effektiv zusammenzuarbeiten. Dazu wurde ferner ein »Memorandum of Understanding« für Harvard und die Texas Tech University, unterzeichnet, das vorsieht, eine Datenbank einzurichten, die in Vietnam bei der Suche nach den im Krieg Vermißten helfen soll.
Außerhalb Vietnams wurde darüber spekuliert, daß diese enge Zusammenarbeit das Land vom sozialistischen Weg abbringen könnte, zumal diese Kooperation die USA einschließt, den früheren Kriegsgegner, der unermeßliches Leid mit Millionen Toten und im Norden Vietnams ein weitgehend zerbombtes Land hinterlassen hat. Dazu ist festzuhalten, daß die Sozialistische Republik Vietnam nach der Niederlage des Sozialismus 1989/90 in Europa mit einem Schlag die internationale Basis ihrer wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit der Sowjetunion und den bis dahin sozialistischen Ländern Europas verlor.
Um seine Existenz zu sichern, mußte Vietnam zur Kooperation mit der kapitalistischen Weltwirtschaft übergehen, sonst wäre es ein vom Kapital abhängiger Rohstofflieferant mit dem aus Afrika und anderen Gegenden Asiens bekannten Elend geworden. Diesen Weg zu beschreiten war nicht möglich, ohne Beziehungen zu den USA, der führenden kapitalistischen Wirtschaftsmacht, zu entwickeln. Es ging darum, Auslandsinvestitionen zu erschließen, Importe zu sichern und Zugang zu neuen Absatzmärkten zu gewinnen.
Völliges Neuland betrat Vietnam nicht. Bereits 1986 hatte der VI. Parteitag der Kommunistischen Partei Vietnams einen Kurs der Erneuerung (»Doi Moi«) beschlossen, der die stärkere Einbeziehung privatkapitalistischer Betriebe in Industrie, Landwirtschaft und im Finanzsektor festlegte. Das geschah vor dem Hintergrund, daß sich zehn Jahre zuvor – ein Jahr nach dem Sieg über die USA-Aggressoren im April 1975 – der sozialistische Norden mit dem kapitalistischen Süden zur Sozialistische Republik Vietnam vereinigt hatte.
Darauf aufbauend schloß Vietnam nach 1989/90 Schritt für Schritt eine Vielzahl von bilateralen Verträgen mit ausländischen kapitalistischen Unternehmen, trat dem Internationalen Währungsfond und der Weltbank bei und schloß zuletzt 2019 das EU-Vietnam Free Trade Agreement (EVFTA) mit der Europäischen Union.
Auf diesem schwierigen und steinigen Weg mußte die Regierung Vietnams Kompromisse eingehen, zum Beispiel den Schutz ausländischer Investitionen gewähren, dem Umgang mit neoliberalen Essentials wie dem geistigen Eigentum zustimmen, Standards der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) berücksichtigen, ebenso – wie im Abkommen mit der EU – dem Abbau von 99 Prozent der Zölle akzeptieren oder die Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens.
Nicht zu übersehen ist, daß als Resultat dieser Zusammenarbeit in Vietnam bis dahin nicht gekannte Praktiken aus der Welt des Kapitals wie die Korruption Fuß faßten. Daß die KP Vietnams dem einen schonungslosen Kampf angesagt hat, bezeugt, daß Nguyen Phu Trung dieses Thema zur »Chefsache« erklärt und persönlich unter seine Kontrolle gestellt hat.
In der wirtschaftlichen und auch wissenschaftlich-technischen Kooperation versuchen die westlichen Wirtschaftspartner immer wieder, unterstützt von ihren Regierungen, dem privat-kapitalistischen Sektor in Vietnam ein Übergewicht über den gesellschaftlich vorherrschenden zu verschaffen, um den sozialistischen Weg Vietnams zu unterminieren. Vietnam hat bisher alle Versuche, seine wirtschaftliche Souveränität einzuschränken und die Kommandogewalt über seine Wirtschaft anzutasten, zurückgewiesen.
Daß es hier nicht nachgibt und auch die führende Rolle seiner Kommunistischen Partei bewahrt, ist als eine entscheidende Garantie des erfolgreichen Vorwärtsschreitens auf seinem sozialistischen Weg zu sehen. Hat die KPV doch 1989/90, im Gegensatz zu den meisten Parteien der sozialistischen Staaten, dem Sozialismus die Treue gehalten und nicht den Pfad der Sozialdemokratie eingeschlagen. Auf dem 13. Parteitag im Januar dieses Jahres zählte die Partei 5,1 Millionen Mitglieder, darunter 60 Prozent Jugendliche, die die westlichen Meinungen, die Jugend interessiere der Befreiungskrieg und der Sozialismus nicht, Lügen strafen.