Der längste Krieg
Mehr als 325 Luxemburger NATO-Soldaten haben sich in zwei Jahrzehnten an der offenen militärischen Intervention der USA am Hindukusch beteiligt
Als »dee längste Krich an der Geschicht vun den USA« hat RTL Radio Lëtzebuerg die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 als angeblicher Rachefeldzug begonnene offene militärische Intervention der USA und der ihr ergebenen NATO in Afghanistan anläßlich eines Truppenbesuchs von Außenminister Jean Asselborn in Masar-i-Scharif bezeichnet. Doch es ist auch Luxemburgs längster Krieg. Bis zu Asselborns Frontbesuch vor gut zwei Jahren hatten die aufeinanderfolgenden Regierungen offiziellen Angaben zufolge bereits »mehr als 325« Luxemburger Soldaten in den Krieg am Hindukusch geschickt – in die Hauptstadt Kabul, ins südliche Kandahar und zuletzt einen Unteroffizier und einen Soldaten als Teil der NATO-Operation »Resolute Support« ins nördliche Masar-i-Scharif.
Zwar hatte Außenminister Asselborn seinen Gesprächspartnern in Kabul nach seinem Truppenbesuch versprochen, die Luxemburger Soldaten würden bis 2024 in Afghanistan bleiben, doch wenn die USA ihren bislang längsten Krieg, wie es mittlerweile in Washington heißt, bis zum 20. Jahrestag von 9/11 beenden wollen, dann dürften auch die Luxemburger Soldaten ihren bislang längsten Auslandseinsatz vorzeitig beenden. Was der gekostet hat, ist nicht bekannt. Die Regierung hat nur mitgeteilt, bis Anfang 2019 »rund 100 Millionen Euro« an die von den USA-Besatzern eingesetzte korrupte »Regierung« in Kabul überwiesen zu haben.
Laut NATO befinden sich derzeit noch rund 10.000 Soldaten aus 36 Ländern in Afghanistan, insgesamt waren es in all den Jahren mehr als 1,25 Millionen Soldaten, die in den Krieg am Hindukusch geschickt wurden. Zum Vergleich: Afghanistan ist ungefähr so groß wie Frankreich und hat nach Flucht und Vertreibung noch rund 38 Millionen Einwohner. Vor der offenen imperialistischen Aggression mischten sich die USA bereits seit mindestens zwei weiteren Jahrzehnten in die inneren Angelegenheiten Afghanistans ein – mit der CIA und mit von ihnen bewaffneten Söldnern.
Der Grund für die imperialistische Einmischung liegt zum einen an der strategisch wichtigen Lage Afghanistans an der Schnittstelle von Süd- zu Zentralasien mit Grenzen zu China und dem Iran sowie einer auch für konventionelle Waffen überwindbaren Entfernung zu Rußland, andererseits an den reichen Schätzen im afghanischen Boden: unter anderem Gold, Kupfer, Lithium, Uran, Eisenerz, Kobalt, Zink, Edelsteine sowie Erdgas und -öl.
Doch Afghanistan ist trotz dieses potentiellen Reichtums in den vergangenen 20 Besatzungsjahren immer ärmer geworden. Die Lebenserwartung zählt mittlerweile zu den weltweit niedrigsten, und offiziellen Schätzungen zufolge haben 42 bis 55 Prozent der Afghanen pro Tag weniger als einen US-Dollar zum leben. Auch die Analphabetenquote und die Kindersterblichkeitsquote gehören zu den weltweit höchsten und über die Hälfte der Kinder unter zwölf Jahren weisen geistige oder körperliche Behinderungen auf, die auf Mangelernährung zurückzuführen sind.
Der Krieg der USA und der NATO wurde auch unter dem Slogan geführt, den afghanischen Frauen »Rechte und Würde« zu bringen, doch im heutigen Afghanistan wird Gewalt gegen Frauen und Mädchen noch nicht einmal strafrechtlich verfolgt. Mädchen werden im Kindesalter verheiratet, offiziellen Angaben zufolge ist ihre Mehrheit noch keine 18 bei der Hochzeit. Das Durchschnittsalter der Witwen, der Ärmsten im Land, liegt bei 35 Jahren.