Gegen das Vergessen und Verfälschen
»Rearm Europe«, die von EU und NATO angestrebte »Wiederbewaffnung Europas«, hat Geschichtsvergessenheit nachgerade zur Voraussetzung.
Während das gewerkschaftseigene »Tageblatt« in seiner Montagausgabe nicht eine Zeile über das immerhin vom OGBL organisierte Gedenken an den Generalstreik gegen die Hitlerfaschisten und die Zwangsrekrutierung junger Luxemburger durch die Nazibesatzer vor 83 Jahren übrig hatte (erst am Dienstag wurden dann auf Seite 16 drei Sätze mit einem zweispaltigen Foto nachgereicht), wurde die große Militärparade am Mittwoch in Chinas Hauptstadt, mit der an den Sieg im Widerstandskrieg gegen Japan und im Weltweiten Antifaschistischen Krieg 1945 erinnert wurde, schon am Folgetag mit einer ganzen Zeitungsseite bedacht.
Doch Japans 1931 begonnener Kolonialfeldzug – der offiziellen Schätzungen zufolge allein in China ungefähr 35 Millionen Menschenleben kostete – wurde auf der ganzen Zeitungsseite nichtmal erwähnt. Wie schon am 8. und 9. Mai dieses Jahres, als der überragende Anteil der Sowjetunion und ihrer Streitkräfte bei der Niederringung des deutschen Faschismus heruntergespielt oder gänzlich verschwiegen wurde.
Doch wer verstehen will, warum Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping die Staaten der Welt anläßlich des Gedenkens an »Chinas ersten vollständigen Sieg gegen ausländische Aggression in der Neuzeit« dazu aufrief, »die Grundursache des Krieges zu beseitigen und eine Wiederholung historischer Tragödien zu verhindern«, der sollte sich mit den historischen Fakten befassen:
Nach dem Vorbild der europäischen Kolonialmächte eroberte der japanische Militarismus zunächst 1905 die koreanische Halbinsel. Später verdrängte er auch die niederländischen Kolonialisten in Indonesien, die französischen in Indochina, die britischen in Burma und Malaysia sowie diverse imperialistische Mächte aus großen Teilen Chinas.
Der Zweite Weltkrieg im Pazifik war in erster Linie ein Kampf zwischen dem USA-Imperialismus und dem japanischen Militarismus um die Kontrolle und Ausbeutung Asiens und des Pazifikraums. Überall da, wo es Japan gelang, Länder oder Gebiete zu erobern, bildeten sich nationale Widerstandsbewegungen, die insbesondere dort, wo sie von kommunistischen Parteien angeführt wurden, erfolgreiche Guerillakriege gegen das japanische Militär führten. Diese Bewegungen leisteten neben der Sowjetunion, die am 9. August 1945 vereinbarungsgemäß Japan den Krieg erklärte, einen großen Beitrag zur Niederschlagung des japanischen Militarismus.
Versuche Britanniens, der USA und Frankreichs, die vorübergehend an Japan verlorenen Objekte der Ausplünderung in Ostasien zurückzuerobern, scheiterten meist. Stattdessen gelang es kommunistisch geführten Befreiungsbewegungen trotz der imperialistischen Kriegsverbrechen, China, einen Großteil Indochinas und einen Teil Koreas zu befreien. Doch in Thailand und Vietnam blieben USA-Truppen noch jahrzehntelang und sind bis heute in Japan und Südkorea und erneut auf den Philippinen stationiert...
Wer Kriege beenden und neue verhindern will, tut gut daran, die Geschichtsvergessenheit derer, die glauben, sich aus tagespolitischen Erwägungen über historische Tatsachen und daraus ergebende Verantwortungen hinwegsetzen zu können, als das zu entlarven, was sie ist: Kriegspropaganda.