Ausland11. August 2009

Abbas läßt sich feiern

Fatah-Kongreß in Bethlehem bestätigt Vorsitzenden – Kritik an Vetternwirtschaft und Korruption abgewiesen

Ohne Gegenkandidaten ist Mahmud Abbas am Wochenende als Vorsitzender der Palästinenserorganisation Fatah bestätigt worden. Die Wiederwahl erfolgte per Handzeichen, dann wurde Abbas von den Delegierten mit stehenden Ovationen gefeiert. Der emotional inszenierte Augenblick zeigte eine seltene Einigkeit der mehr als 2000 Fatah-Delegierten, die sechs Tage lang über die Zukunft der Organisation stritten. Hamas-Sprecher Sami Abu Zuhri im Gazastreifen betonte indes, die Wiederwahl von Abbas durch die Fatah zeige, daß deren »politischer Kollaps« nicht aufzuhalten sei.

Der Wiedergewählte versprach »Wandel« in der Fatah und beschwor die Delegierten, den Kongreß für einen »Neuanfang« zu nutzen. »In unserer Geschichte haben wir viele Neuanfänge und Rückschläge erlebt«, rief er nach seiner Bestätigung in Bethlehem aus. »Manchmal standen wir am Rand des Abgrunds – aber wir sind immer wieder gestärkt aus der Krise hervorgegangen.«

Vor allem die jüngeren Fatah-Mitglieder sehen ihre Partei derzeit allerdings eher geschwächt. Schließlich verlor die Partei bei den Wahlen 2006 nicht nur ihre Führungsposition an die Hamas, nach einem gewaltsam ausgetragenen Machtkampf im Gazastreifen ist ihr Einfluß auch dort weitgehend verschwunden. Kritisiert wird ebenso die Vermischung von Ämtern der alten Fatah-Führungsriege mit Regierungsposten in der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA).

Besonders scharf werden Vetternwirtschaft und Korruption der »alten Garde« kritisiert, die zum Parteitag weder einen politischen noch einen finanziellen Rechenschaftsbericht vorlegte. Kritik der Delegierten daran wurde mit der Bemerkung abgebügelt, die zweistündige Eingangsrede von Mahmud Abbas sei als Rechenschaftsbericht zu werten. Abbas wird zudem mangelnde Bereitschaft zur Versöhnung mit der Hamas vorgeworfen. Der Konflikt zwischen beiden Parteien war auch während des Kongresses präsent, da Fatah-Delegierte aus dem Gazastreifen durch die Hamas an der Ausreise gehindert worden waren.

Die Hamas hatte von der Fatah die Freilassung ihrer Gefangenen in der Westbank gefordert, bevor die Fatah-Delegierten ausreisen dürften. Statt dessen verschärfte die Fatah die Repression. Das Palästinensische Informationszentrums (PIC) berichtete, daß seit Beginn des Kongresses 42 Hamas-Mitglieder und Unterstützer in Ramallah und Al-Khalil festgenommen worden sind, darunter ein Schriftsteller, ein Journalist, ein stellvertretender Bürgermeister sowie Lehrer und Mitarbeiter des Gemeinderates. Mustafa Barghouti, Informationsminister der kurzlebigen palästinensischen Regierung der nationalen Einheit 2007, kritisierte beide Seiten für ihr repressives Vorgehen.

Die Neuwahlen zum Zentralkomitee und zum Revolutionsrat der Partei fanden am Sonntag statt. Ein Delegierter äußerte sich gegenüber dem Nachrichtensender Al Dschasira optimistisch. »Mindestens die Hälfte der Mitglieder im Zentralkomitee und dem Revolutionsrat werden neu gewählt«, meinte er. Abbas Zaki, der sowohl die Fatah als auch die PLO im Libanon vertritt, sagte, 100 Kandidaten würden sich für die 21 Sitze im ZK und 646 Kandidaten für die 120 Sitze im Revolutionsrat bewerben. Die Bekanntgabe der Wahlergebnisse wurde für den Dienstag angekündigt.

Unter den Kandidaten für das Zentralkomitee ist auch der vor allem bei der Jugend beliebte Marwan Barghouti, der in israelischer Haft sitzt und für eine Versöhnung mit der Hamas eintritt. Als deren erklärte Gegner gelten hingegen zwei andere Kandidaten, die von vielen abgelehnt, aber wohl dennoch in das ZK einziehen werden: Jibril Rajub koordiniert Geheimaktionen gegen die Hamas in der Westbank, und Mohammed Dahlan wird als Fatah-Sicherheitschef im Gazastreifen für die Eskalation der Gewalt im Juni 2007 verantwortlich gemacht. Beiden werden enge Kontakte zu Geheimdiensten der USA und Israels nachgesagt.

Die Fatah-Delegierten aus dem Gazastreifen, die sich per Telefon an den Wahlen beteiligen sollten, hatten gefordert, daß für sie Plätze in den beiden Gremien freigehalten werden. Verschiedene Quellen berichteten, daß einige namentlich genannte Fatah-Delegierte in Gaza von Sicherheitskräften der Hamas gedrängt worden sind, sich nicht an den Abstimmungen zu beteiligen.

Der ursprünglich auf drei Tage angelegte Kongreß wird vermutlich am heutigen Dienstag zu Ende gehen. Von den 18 Arbeitsgruppen, die über Programm und Struktur der Partei diskutieren sollten, konnten bis zum Sonntag erst sechs ihre Berichte präsentieren.

Karin Leukefeld