12. April – Tag der Kosmonauten
60 Jahre bemannte Raumfahrt
Als Juri Gagarin der Schwerkraft der Erde entflog
Am 12. April 1961 vor nunmehr 60 Jahren öffnete sich ein neues Kapitel in der Geschichte der Menschheit, als der sowjetische Eisengießer und Militärpilot Juri Alexejewitsch Gagarin als erster Kosmonaut zu seinem legendären Flug in den Kosmos aufbrach, als erster Mensch den Erdorbit erreichte und unseren Heimatplaneten umkreiste. Die bemannte Raumfahrt nahm ihren Anfang.
Dank der Pionierleistung sowjetischer Gelehrter, Wissenschaftler, Ingenieuren und zuletzt auch einiger wagemutigen Piloten wurden die kühnsten Träume der Menschheit verwirklicht. Der Vorstoß in den Kosmos war gelungen und Juri Gagarin wurde als Held, nicht nur in der Sowjetunion, sondern weltweit, gefeiert und verehrt. Er galt als Vorbild einer ganzen Generation von Weltraumenthusiasten und wegen seiner erfolgreichen Pioniertat wird er auch weiterhin bewundert. Er war, ist und bleibt, stellvertretend in der bewegten Menschheitsgeschichte, ein Held der gesamten Menschheit, der es vor 60 Jahren gelungen war, ihren Heimatplaneten zum ersten Mal zu verlassen.
»Pojechali!« – Los geht’s!
In der kasachischen Stadt Akmolinsk kündigte am 14. März 1961 der damalige sowjetische Ministerpräsident Nikita Chruschtschow an, daß die Zeit nicht fern sei, »in der die Sowjetunion ein erstes Raumschiff mit einem Menschen an Bord ins All senden werde«. Eine Woche vor dem Start wurden Juri Gagarin als Pilot und German Titow als Ersatzmann vom sowjetischen Staatskomitee bestätigt.
Am Morgen des 12. April 1961 wurden beide Kosmonauten mit einem Bus zur startbereiten »Wostok« auf dem Startgelände des Weltraumbahnhofs Baikonur gebracht. Auf dem Weg zur Startrampe verspürte Juri Gagarin noch ein menschliches Bedürfnis, so daß der Bus kurz anhielt. Weil in der grasigen Steppe weit und breit kein Baum zu finden war, mußte ein Busreifen für die Notdurft herhalten. An jener denkwürdigen Stelle machen auch heute noch sämtliche Kosmonauten, die ins Weltall aufbrechen, eine kurze Pause…
Um 9.07 Uhr Moskauer Zeit hob die »Wostok«-Trägerrakete mit Juri Gagarin an Bord ab. »Pojechali!« – Los geht’s!, rief Gagarin beim Start. Die Kapsel gelangte kurz darauf in eine elliptische Umlaufbahn zwischen 327 und 181 Kilometern Höhe. Mit an Bord flogen Proviant für zehn Tage sowie ein Röhrchen mit guter alter russischer Muttererde. Bei sich trug Gagarin auch seinen Personalausweis, in dem als Beruf »Kosmonaut Nummer 1« eingetragen war. Erst jetzt nach dem erfolgreichen Start des ersten Menschen ins Weltall wurde die Öffentlichkeit informiert und die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer um die ganze Welt.
Abenteuerlicher Flug ins Ungewisse
Eine Viertelstunde nach dem Start befand sich Gagarin über Südamerika, trank etwas Wasser und aß einen Wackelpudding, der eigens von der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften zubereitet worden war.
Der erste Flug in den Kosmos verlief allerdings mit einigen unvorhergesehenen Unannehmlichkeiten. Gagarin erreichte eine Bahnhöhe von 327 Kilometern anstelle der vorgesehenen Apogäumshöhe von 230 Kilometern.
Als in der 79. Flugminute die Bremsraketen vierzig Sekunden lang gezündet wurden, um den Landeanflug einzuleiten, geschah jedoch das Unfaßbare. Ein Ventil im Kraftstoffsystem klemmte beim Landemanöver, und das Raumschiff begann sich mit 30 Grad pro Sekunde zu drehen. Als das Versorgungsmodul der 2,4 Meter großen Kapsel sich ablösen sollte, blieben beide mit einem Kabel verbunden, so daß es hinterhergeschleppt wurde und das Ganze zu trudeln begann. Dabei kam Juri Gagarin fast der Ohnmacht nahe. Die beim Eintritt in die Erdatmosphäre entstehende Hitze durchtrennte jedoch das Kabel rechtzeitig und Gagarin konnte sein Raumschiff stabilisieren.
Später beschrieb der erste Kosmonaut die Situation folgendermaßen: »Es war wie ein ununterbrochenes Salto Mortale. Vom Kopf auf die Füße, von den Füßen auf den Kopf und das mit sehr hoher Drehgeschwindigkeit. Alles hat sich gedreht. Da sehe ich Afrika, dann den Horizont, dann den Himmel«.
Die Luke der Kapsel wurde in 7.000 Meter Höhe über der Region Saratow abgesprengt. Bei seiner Landung konnte Gagarin für einige Zeit das Atemventil an seiner Ausrüstung nicht öffnen. Er schoß mit seinem Schleudersitz heraus und landete um 10.55 Uhr Moskauer Zeit in der Nähe des Dorfes Smelowka im Gebiet Saratow auf einem Feld an den Ufern der Wolga. Die Kapsel ging etwa 3 Kilometer weiter entfernt nieder. Die Kapsel hatte den berechneten Landeort nur um 110 Kilometer verfehlt.
Als der erste Mensch im All wieder Boden unter den Füßen hatte, überraschte er damals die Förstersfrau Anna Tachtarowa mit ihrer Enkelin beim Kartoffelpflanzen auf einem Feld. Wegen des orangefarbenen Raumanzugs und des weißen Helms hielten sie Gagarin für ein außerirdisches »Monster«. Der Kosmonaut rief ihnen aber zu: »Ich bin einer von Euch, ich bin ein Sowjet!«. An der Stelle, auf der er landete, erinnert ein Obelisk an seine Heldentat.
Ruhm und Ehre weltweit
In den kommenden Monaten ernteten der erste Kosmonaut sowie diejenigen, die den Flug ermöglicht hatten, frenetischen Beifall weltweit. Gagarin ging auf eine ausgedehnte Welttournee, wurde mit dem Titel »Held der Sowjetunion« ausgezeichnet und sogar zum »Nationalheiligtum« erklärt.
Um seine Kampfpilotenlizenz aufrecht zu erhalten, startete Juri Gagarin am 27. März 1968 mit einer MIG-15 zu einem Trainingsflug. Seine MIG geriet jedoch in eine fatale Wirbelschleppe einer aufsteigenden SU-11 und stürzte ab. Gagarin überlebte diesen Unfall nicht. Er fand seine letzte Ruhestätte an der Kremlmauer in Moskau.
Was ist von Gagarin geblieben?
Auch heute noch wird der erste Mensch im All weltweit bewundert und verehrt. Setzte nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ein massiver Bildersturm auf die Symbole des Sozialismus ein, so blieben die Erinnerungsstätten an Juri Gagarin und weitere Kosmonauten verschont. In Weltraumbahnhof Baikonur sowieso. Hier kann noch heute die Originalhütte besucht werden, in der Juri Gagarin die Tage vor seinem Aufbruch ins Weltall verbrachte. Und wie kein anderer ist Juri Gagarin ein Volksheld geblieben.
Und das nicht nur in Rußland. Seit Jahren schon wird der 12. April weltweit mit verschiedenen Veranstaltungen am internationalen »Tag der Kosmonauten« in der »Juris Nacht« gefeiert, um an den Held der Menschheit Juri Gagarin zu erinnern.
Auch in Luxemburg erinnern sich einige Raumfahrtenthusiasten an ihrem sogenannten »Pojechali! - Los geht’s« Tag alljährlich an den epischen Flug Gagarins vor 60 Jahren und feiern in der »Juris Nacht« eine weltweite Weltallparty, welche die Welt zusammenbringt um zu träumen, wohin wir gehen, zu erforschen, was wir sind und um das zu feiern, was wir einst waren. Auf den traditionellen Jubiläumskuchen »Juri Alexejewitsch Gagarin-Zeder« – der sibirische Zederbaum war Juris Funkrufname während seines epischen Fluges – wird auch dieses Jahr wiederum verzichtet, da nur »online« gefeiert werden kann.
Was ist von Gagarin geblieben? In 108 Minuten umrundete Juri die Erde und schrieb damit 1961 Geschichte. Vor 60 Jahren verärgerte er zugleich die USA. Nicht nur die Sowjetunion hatte einen neuen Helden, sondern die gesamte Menschheit. Er wußte nicht, was ihn erwarten würde, gerade deshalb wird er auf der ganzen Welt verehrt.