Ausland01. Juli 2019

Zu Fuß nach Nordkorea

Donald Trump betrat als erster amtierender USA-Präsident das Staatsgebiet der Koreanischen Demokratischen Volksrepublik

Historisches am Sonntag: Anläßlich einer Stippvisite in Südkorea nach dem G20-Treffen in Japan hat sich USA-Präsident Donald Trump im Rahmen einer Last-Minute-Diplomatie mit Kim Jong-Un, dem Vorsitzenden des Komitees für Staatsangelegenheiten der Koreanischen Demokratischen Volksrepublik (KDVR) an der Grenze zwischen Nord- und Südkorea getroffen. Im Grenzort Panmunjom in der beschönigend so genannten Demilitarisierten Zone (DMZ) gaben sich die beiden Staatsoberhäupter die Hand, umringt von einem Aufgebot an Pressefotografen. Die DMZ trennt Süd- und Nordkorea seit dem Koreakrieg, der 1953 endete, auf rund vier Kilometern Breite und annähernd 250 Kilometern Länge.

Doch nicht nur das: Nach der freundlichen Begrüßung überschritt Trump als erster amtierender USA-Präsident die Demarkationslinie und ging gemeinsam mit Kim ein paar Schritte auf dem Territorium der KDVR. Anschließend überschritten beide zusammen die Grenze nach Südkorea. Was als kurze Begegnung geplant war, mündete schließlich in einer 50-minütigen Unterhaltung. Mit dem Ergebnis, daß – laut westlichen Pressemeldungen – die Verhandlungen über Nordkoreas Atomwaffen zügig wieder aufgenommen werden sollen und Trump Kim zu einem Besuch ins Weiße Haus einlud.

Ungewöhnlich waren die Umstände des plötzlichen Treffens. Während des G-20-Gipfels im japanischen Osaka hatte Trump getwittert, er würde seine anschließende Staatsvisite in Südkorea gern dazu nutzen, den »Vorsitzenden Kim spontan zu treffen, um ihm die Hand zu schütteln und Hallo zu sagen«. Ein erneuter Kurswechsel in der US-amerikanischen Nordkorea-Politik. Bis zur Jahreswende 2017/18 hatte man der KDVR aus Washington noch gedroht, man werde das Land mit »Feuer und Zorn« überziehen und es »auslöschen«. Als Reaktion verwahrte sich Pjöngjang qua forcierter Atom- und Raketentests dagegen, »von einem Land voller Kannibalen, das überdies von moralischer Lepra befallen ist«, ständig herumgeschubst zu werden.

Seit dem Jahreswechsel 2017/18 fand auf der koreanischen Halbinsel eine bis dato nicht gekannte rege Shuttlediplomatie statt, in deren Verlauf es zu zig Treffen zwischen US-amerikanischen, südkoreanischen, chinesischen, nordkoreanischen und russischen Diplomaten kam. Seitdem entspannten sich vor allem die Beziehungen zwischen Nord- und Südkorea auf sämtlichen Ebenen. Herausragend war in diesem Zusammenhang die am 14. September 2018 erfolgte Einrichtung eines innerkoreanischen Liaisonbüros in der nordkoreanischen Grenzstadt Kaesong. Dort existierte bis zu seiner 2016 seitens Seouls angeordneten Schließung immerhin der Kaesong Industrial Complex (KIC) mit südkoreanischem Geld und Know-how und nordkoreanischem Personal. Der KIC galt lange als »Kronjuwel innerkoreanischer Kooperation«.

An der Natur des Interessenskonflikts ändert das Treffen zwischen Trump und Kim zunächst nichts. Der KDVR geht es weiterhin um die Aufhebung der US-amerikanischen und UNO-Sanktionen, einen Friedensvertrag, eine Sicherheitsgarantie sowie die Normalisierung der Beziehungen zu den USA. Washington strebt eine komplette, überprüfbare und unumkehrbare »Denuklearisierung« Nordkoreas an. Das symbolträchtige Treffen am Sonntag war also in erster Linie genau das: ein symbolträchtiges Treffen. Daß ein amtierender USA-Präsident das Staatsgebiet der Koreanischen Demokratischen Volksrepublik betritt, kommt jedoch de facto einer Anerkennung der KDVR gleich.

Rainer Werning

Der USA-Präsident und sein Gastgeber am Sonntag auf dem Staatsgebiet der Koreanischen Demokratischen Volksrepublik
(Foto: KCNA VIA KNS/AFP)