Basar vun der Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek
Kultur06. November 2025

Filme für die »dunkle Saison« (I): Horrorfilme ideologiekritisch betrachtet

»Halloween III – Season of the Witch«: Moderne Barbarei in der spätkapitalistischen Konsumgesellschaft

Ein Horrorfilm ohne Michael Myers

von Alain Herman

»Halloween III: Season of the Witch (1982)«, bei dem Tommy Lee Wallace die Regie führte und Debra Hill sowie John Carpenter, linkes Aushängeschild des Horrorgenres in Hollywood, für die Produktion zuständig waren, markiert innerhalb der Halloween-Reihe eine radikale ästhetische und narrative Abweichung, die sich als bewusste satirische Intervention lesen lässt. Anstatt den Slasher-Mythos rund um Michael Myers fortzuführen, etabliert der Film eine neue Bedrohungslogik: Der Horror kommt nicht mehr vom individuellen Täter, sondern resultiert aus den Strukturen der spätkapitalistischen Medien- und Warenwelt.

Opium des Warenfetischismus

Die Firma »Silver Shamrock Novelties«, die Millionen von Halloween-Masken verkauft, fungiert als groteske Übersteigerung moderner Konsumkonzerne, deren Produkte nicht nur Unterhaltung versprechen, sondern – im buchstäblichen Sinne – zerstörerisch auf Körper und Bewusstsein einwirken. Die Vorstellung, dass ein Kind durch eine Fernsehwerbung zur Komplizenschaft seines eigenen Todes verführt wird – die Maskenträger werden durch ein Fernsehsignal getötet, das den in den Gadgets eingebauten Mikrochip aktiviert und daraus tödliche Insekten und Schlangen hervorbrechen lässt –, bringt die unheimliche Effizienz kapitalistischer Manipulation satirisch zum Ausdruck. Man muss nicht mehr auf die Frankfurter Schule oder den US-amerikanischen Marxisten und Kulturforscher Fredric Jameson verweisen – wenngleich man es hier en détail nachlesen kann –, um zu erkennen, dass in der Logik des Spätkapitalismus die Kultur und in Sonderheit die Massenkultur untrennbar zur Ware geworden ist, allzu offensichtlich ist diese Transformation seit den neoliberalen Reformen der 1970er-Jahre. Der in der Reagan-Ära gedrehte Film »Halloween III« macht diesen Prozess drastisch sichtbar, indem er die Ware zum Horror erklärt: Der Tod steckt im Produkt.

Zugleich nutzt der Film postmodern-neoliberal verfremdete Mythen, um die Entfremdung von Traditionen in der modernen Warenwelt zu kommentieren. Die Anrufung keltischer Samhain-Mythen erscheint nicht als ernsthafte Wiederbelebung eines naturreligiösen Herbstrituals, sondern als zynische Ressourcenausbeutung durch den Bösewicht Conal Cochran, mephistophelisch gespielt von Dan O´Herlihy, der alte kulturelle Bedeutungsstrukturen in ein profitgetriebenes Industrieprojekt umzuwandeln versucht. So zeigt der Film, wie in der postmodernen Kultur Geschichte nicht mehr rational-dialektisch und prozesshaft, sondern vielmehr als Fundus von Stilzitaten, die beliebig entnommen und neu kombiniert werden können, verstanden wird. Der Samhain-Mythos wird nicht bewahrt, sondern zur Werbemasche entkernt. Dies kann als satirischer Kommentar auf kulturelle Aneignung durch Kommerzialisierung gelesen werden.

Kontrolle und Hypnose mittels Technologie

Die Inszenierung des Fernsehens als hypnotischer Kontrollapparat verstärkt den satirischen Charakter der Darstellung. Die penetrante »Silver Shamrock«-Reklame, die im Film in immer kürzeren Intervallen wiederholt wird, fungiert als auditiv-visuelle Propaganda, die keinerlei inhaltliche Botschaft mehr braucht. Das Medium selbst wird zum Inhalt. Diese Strategie erinnert an die medienkritischen Tendenzen in John Carpenters späterem Film »They Live« (1988) – Carpenter fungiert übrigens zusammen mit Alan Howarth als kongenialer Komponist des bedrohlich-düster wabernden Synth-Teppichs von »Halloween III« –, der die Manipulation des Subjekts durch kapitalistische Bildapparate weiter radikalisiert. Schon »Halloween III« verweist nämlich auf eine Gesellschaft, die – im Sinne Jamesons – in einer Welt der simulierten Erfahrung und des konsumierten Bildes lebt. Die Zuschauer des Films sollen die Zuschauer im Film wiedererkennen: Eine satirische Spiegelung des Publikums, das Halloween-Produkte kauft und konsumiert, ohne deren ideologische Implikationen zu reflektieren. Die Kommerzialisierung nimmt dem ehemals keltisch-gälischen Samhain-Fest nicht nur seinen »ursprünglichen« Sinn, d.h. vorrangig den pseudowissenschaftlich angenommenen, worüber der Film-Schurke sich paradoxerweise ärgert, sondern der Warenfetischismus »lobotomisiert« geradezu die Konsumenten auf eine quasi-religiöse Art und Weise, modernisiertes Opium fürs Volk.

Selbstreflexiver Horror

Formal unterstreicht ein Spiel mit Tonlagen die satirische Lesart: Der Film schwankt nämlich zwischen Science-Fiction, Horrorthriller und schwarzer Komödie, wodurch eine Form der Überzeichnung entsteht, welche sich jedem »ernsten« Realismus verweigert. Figuren wie der heroisch-klischeehafte Arzt Daniel Challis oder der theatralische Konzernmagnat Cochran wirken wie Karikaturen, nicht wie komplexe dramatische Personen. Dadurch wird die Geschichte nicht nur erzählt, sondern entlarvt – der Horrorfilm zeigt seine eigene Künstlichkeit und verweist zugleich auf die Mechanismen, die ihn verkaufen.

Darüber hinaus operiert der Film auf einer meta-filmischen Ebene, die das Horrorgenre selbst ironisch hinterfragt. Die Filmmacher Wallace und Carpenter unterwandern bewusst die etablierten Franchise-Konventionen, um damit die Kommerzialisierung des Horrors offenzulegen: Der massenproduzierte Schrecken fungiert als austauschbare Ware, er ist an sich so austauschbar wie jedes Halloween-Gadget. Der Film verweigert dem Publikum den ikonischen Killer, nur um damit die Erwartungsökonomie des Genres offenzulegen. Dieser selbstreflexive Ansatz positioniert »Halloween III« innerhalb einer langen Tradition medialer Satire, welche die Aufmerksamkeit auf jene Bereiche lenkt, in denen Körper, Technologie und kultureller Exzess aufeinanderprallen. Die in »Halloween III« gezeigten Körperzerstörungen – zu Tode kommen in erster Linie die Androide des »Silver Shamrock«-Inhabers – haben weniger die Funktion realistischer Abbildung als vielmehr eine groteske, fast cartoonhafte Qualität: Schrecken und Lächerlichkeit fallen zusammen. Es verwundert demnach nicht, dass so viele Liebhaber der Filmreihe über den psychopathisch-übernatürlichen Serienmörder Michael Myers überhaupt keinen Zugang zu diesem aus der »Halloween«-Franchise-Reihe fallenden Film, der ganz gewiss über diverse dramaturgische Schwächen verfügt, haben bzw. ihn als billiges Machwerk verwerfen. Kurzum: Sie sind keine Ignoranten, sondern gleichsam vom filmischen Horrorkommerz bereits robotisierte resp. homogenisierte Konsumenten.

Der wahre Schrecken: Barbarei des Spätkapitalismus

Insgesamt lässt sich »Halloween III« trotz all seiner dramaturgisch-logischen Schwächen daher als postmoderne Satire in einem doppelten Sinn verstehen: Zum einen als Kritik an der kapitalistischen Medien- und Konsumgesellschaft, die Kinder buchstäblich als Zielgruppe tödlicher Produkte instrumentalisiert; zum anderen als ironischer Kommentar auf ein Genre, das selbst längst zu einer marktförmigen Maschine geworden ist. Der Film schockiert nicht trotz, sondern wegen seiner überzeichneten Groteske: Er verweist darauf, dass der wahre Horror nicht im Übernatürlichen liegt, sondern in einer Gesellschaft, die bereit ist, ihre kulturellen Rituale und ihre Kinder dem Diktat der Ware zu unterwerfen. Der »Bösewicht« des Films, der irische Kapitalist, Besitzer des »Silver Shamrock«-Konzerns, und neuheidnische Nekromant Conal Cochran, der am Ende des Films, zu einer Lichtsilhouette erstarrt, ganz klassisch von der eigenen »Magie« ausgelöscht wird – man kann, muss aber nicht unbedingt, darin die Logik der kapitalistischen Selbstzerstörung erkennen –, bringt es in seinem Schlussmonolog selbst auf den Punkt: »Halloween – das Fest von Samhain. Das letzte große fand vor 3000 Jahren statt, und die Hügel färbten sich rot … vom Blut der Tiere und der Kinder. Für uns war es ein Mittel, die Umwelt (environment) zu beherrschen. So verschieden ist es heute nicht. Es ist wieder so weit. Am Ende entscheiden wir das nicht, verstehen Sie? Die Planeten tun es. Sie stehen in einer Linie – und es ist wieder so weit.« Sicher, Cochran glaubt als Tech-Druide tatsächlich an die pseudokeltische Zauberei – schließlich bleibt der Streifen oberflächlich eine unterhaltsame Fiktion mit übernatürlichen Gruselelementen und Trash-Charme –, meint damit auch alte, überkommene Herrschaftsstrukturen in einer durchtechnisierten Gesellschaft zurückzubringen, diese Worte lassen jedoch in einem anderen Sinne aufhorchen: Im Spätkapitalismus wird auf allen sozialen Ebenen eine Form moderner Barbarei etabliert, mit der die Massen einerseits diszipliniert und in Schach gehalten, andererseits sowohl ideologisch manipuliert als auch geistig sediert werden. Der Film nimmt damit sogar eine Reihe von Entwicklungen vorweg. Die 1980er-Jahre werden zwar gemeinhin als Beginn des Computerzeitalters gewertet – und mit diesem Aspekt wird im Film von der ersten Sekunde an bewusst gespielt –, aber die kapitalistisch angeheizten und damit ins Barbarische abgleitenden Auswüchse der heutigen Digitalisierung, die ihren Menschentribut, ihre Opfer, zumal unter der Jugend des 21. Jahrhunderts erfordert, konnte man 1982 wohl nur in apokalyptischen Träumen erahnen – so geschehen in »Halloween III: Season of the Witch«.