Kaleidoskop02. Juli 2021

Asteroiden bewegen und faszinieren die Welt

von Pierre Buchholz

Als vor rund 4,6 Milliarden Jahren unser Sonnensystem aus einer Gas- und Staubwolke entstanden ist, entwickelten sich die Planeten aus einem Teil des Geröllhaufens. Der restliche Teil schwirrt bis heute als Bruchstücke um die Sonne: Kometen und Asteroiden.

Kometen bestehen hauptsächlich aus Wassereis, aber auch aus gefrorenen Gasen, Staub und kohlenstoffhaltigen Verbindungen. Diese Verunreinigungen haben ihnen den Spitznamen »schmutzige Schneebälle« eingebracht. Die Kometen entstanden im äußeren Sonnensystem, in einer Zone zwischen den Planeten Uranus und Neptun. Gegen Ende der Entstehung des Sonnensystems katapultierten die Anziehungskräfte größerer Planeten die Kometen aus dieser Zone heraus und sie halten sich in der hypothetischen sogenannten »Oortschen Wolke« am äußersten Rand des Sonnensystems auf, wo sie sich auf nahezu kreisförmigen Bahnen um die Sonne bewegen.

Kometen können unter bestimmten Voraussetzungen von dieser Kreisbahn auf eine elliptische Bahn umgelenkt werden, die sie näher an die Sonne und auch an die Erde heranführt. Nähert sich ein Komet der Sonne, verdampft ein Teil seines Eises und es entsteht ein sichtbarer Kometenschweif, der bis zu 300 Millionen Kilometer lang sein kann. Die meisten Kometen sind einige Kilometer groß, haben im Gegensatz zu Asteroiden nur eine geringe Festigkeit und können leicht auseinanderbrechen, vor allem in Sonnennähe.

Zehn Millionen Asteroiden

Asteroiden zählen neben den Kometen ebenfalls zu den kleinen Körpern im Sonnensystem. Astronomen nennen sie auch Planetoide oder Meteoroide. Diese unterscheiden sich von Kometen dadurch, daß sie hauptsächlich aus Gestein mit Beimischungen aus verschiedenen Metallen und Kohlenstoffverbindungen bestehen. Es gibt sogar Asteroiden, die nur aus Metall, etwa aus Eisen und Nickel bestehen. Sie bewegen sich ebenfalls auf fast kreisförmigen Bahnen auf der gleichen Ebene wie die Planeten um die Sonne. Sie haben keinen Schweif und bleiben mit bloßem Auge unsichtbar. Die meisten Asteroiden befinden sich im Asteroiden-Hauptgürtel zwischen Mars und Jupiter. Astronomen gehen davon aus, daß dort mehr als zehn Millionen dieser Gesteinsbrocken umherschwirren.

Asteroiden können nahe der Erde auftauchen, falls sie aus dem Hauptgürtel gedrängt werden und können auf die Erde treffen, wo sie faszinierende Krater hinterlassen. So wie der Barringer Krater im USA-Bundesstaat Arizona mit 1.200 Metern Durchmesser oder der etwa zwei Milliarden Jahre alte Vredefort in Südafrika, welcher ursprünglich einen Durchmesser von gut 300 Kilometern hatte.

Bekannter ist wohl der Chicxulub-Meteor-Krater auf der Halbinsel Yucatán in Mexico. Ein etwa zehn Kilometer großer Asteroid schlug dort vor 65 Millionen Jahren ein, der zum Untergang der Dinosaurier führte. Am 15. Februar 2013 ging über dem russischen Ural in Tscheljabinsk ein Meteorit nieder, der in der Atmosphäre explodierte und dessen Druckwelle schwere Schäden anrichtete.

Erdnahe Asteroiden gelten als gefährlich, wenn sie unserem Planeten bis auf eine Entfernung von weniger als 7,5 Millionen Kilometern nahe kommen und größer als 150 Meter sind. Neben der potentiellen Bedrohung durch Asteroiden und Kometen sind etliche Nutzungsmöglichkeiten wie die der Rohstoffgewinnung denkbar. Ein solches Unterfangen darf aber für die nächsten Jahrzehnte wohl getrost ausgeschlossen werden, da es sehr kompliziert und gefährlich wäre.

Musikalischer Astrophysiker

Grundsätzlich gesehen bedrohen größere Gesteinsbrocken aus dem Weltall, wenn sie sich auf annäherndem Kollisionskurs mit unserem Planeten befinden, unsere Erde, und viele Astronomen und Forscher machen sich seit Jahren schon Gedanken darüber, wie man einem verheerenden Aufprall entgegenwirken kann. Die Geschichte eines fiktiven Asteroideneinschlages in London und der menschlichen Reaktion auf ein solches Ereignis war Thema des Films »51 Degrees North« von Regisseur Grigorij Richters, zu dem der Gitarrist der Kultband »Queen«, Brian May, die Musik komponierte. Beide fanden das Thema so faszinierend, daß sie entschlossen, einen Asteroidentag ins Leben zu rufen – ein jährlicher »Aktionstag«, der über Asteroiden, mögliche Risiken und Abwehrmaßnahmen informiert.

Treibende Kraft war wohl Brian May, der nicht nur musikalische Noten und Klänge beherrscht, sondern auch Astrophysiker ist. Über 100 Kosmonauten, Astronauten, Wissenschaftler, Ingenieure und Künstler weltweit unterschrieben die öffentliche Erklärung des »Asteroid Day« am 3. Dezember 2014, der als offizieller Gründungstag des Asteroidentags gilt. Schon zwei Jahre später, im Dezember 2016 proklamierte die Generalversammlung der Organisation der Vereinten Nationen den 30. Juni zum »Internationaler Asteroidentag«, zu dem Datum, an dem 1908 das sibirische Tunguska-Ereignis stattfand.

Feuerball über der Steinigen Tunguska

Das Tunguska-Ereignis bestand aus einer oder mehreren sehr großen Explosionen am 30. Juni 1908 im damaligen sibirischen Gouvernement Jenissejsk, der heutigen Region Krasnojarsk, deren Ursache sich bis heute nicht zweifelsfrei klären ließ. Das Ereignis fand in der Nähe des Flusses Podkamennaja Tunguska (Steinige Tunguska) im Siedlungsgebiet der Ewenken statt.

Als wahrscheinlichste Ursache gilt der Eintritt eines Asteroiden oder eines kleinen Kometen in die Erdatmosphäre, wo er in einigen Kilometern Höhe explodierte. Nach neueren Erkenntnissen ist auch eine vulkanische Eruption nicht auszuschließen. Augenzeugen berichteten von einer Explosion gegen 7.15 Uhr, einige jedoch auch von mehreren.

Bäume wurden bis in etwa 30 Kilometer Entfernung entwurzelt und Fenster und Türen in der 65 Kilometer entfernten Siedlung Wanawara eingedrückt. Experten schätzen, daß auf einem Gebiet von über 2.000 km² rund 60 Millionen Bäume umgeknickt wurden. Noch in über 500 Kilometern Entfernung wurden Feuerschein, Erschütterung, Druckwelle und Donnergeräusch wahrgenommen, unter anderem von Reisenden der Transsibirischen Eisenbahn.

In allen meteorologischen Stationen Europas und Nordamerikas registrierten die Seismographen eine heftige Erschütterung der Erdrinde. Während der folgenden Nächte zeigten sich über Europa silbern leuchtende Wolken von außergewöhnlichem Glanz und die Atmosphäre war durch aufgewirbelte Staubmassen getrübt. Trotz dieser vielfältigen Auswirkungen fand das Ereignis unter Wissenschaftlern wenig Beachtung.

Der unermüdliche Kulik

Erst der russische Mineraloge Leonid Alexejewitsch Kulik sammelte auf einer Expedition 1921/1922 erste Informationen, gelangte aber nur bis in 600 Kilometern Entfernung vom Explosionsort. Erst 1927 konnte eine größere Expedition unter Leitung von Kulik bis zum verwüsteten Gebiet vordringen. Sie fanden ein etwa 25 Kilometer im Durchmesser messendes Gebiet mit großen Verwüstungen vor. Große, starke, meist hundertjährige Bäume waren entwurzelt worden, ihre Baumkronen zeigten vom Einschlagsort weg.

In den Jahren 1937/1938 veranlaßte Kulik Luftbildaufnahmen der Region. Die aus einem Flugzeug aufgenommenen Fotos zeigten zwei Einschlagsorte im zerstörten Wald und bestätigten die Fallrichtung der Bäume. Noch bis um 1940 untersuchten Wissenschaftler die Gegend. Kulik fand feinste Gesteinstrümmer sowie geschmolzene Quarzstücke, in denen Nickel-Eisen-Verbindungen nachgewiesen wurden.

Die genaue Ursache des Ereignisses ist bis heute ungeklärt, denn es wurden keine mit bloßem Auge sichtbaren Bruchstücke eines eingeschlagenen Himmelskörpers gefunden. Dank der Arbeiten vom unermüdlichen Mineralogen Kulik wurde das Tunguska-Ereignis weltweit bekannt. Sein Geheimnis konnte bis heute noch nicht gelüftet werden. Genau das macht den 30. Juni um so interessanter.