Ausland

Kommunistische Tageszeitung Italiens in Gefahr

 »il manifesto« blickt auf 43 Jahre kämpferische Geschichte zurück

Nach dem Ende der PRC-Tageszeitung »Liberazione« zu Beginn des Jahres soll jetzt auch der letzten kommunistischen Tageszeitung »il manifesto« der Todesstoß versetzt werden. Premier Mario Monti setzt die von seinem Vorgänger Berlusconi verfügte drastische Kürzung der Zahlung staatlicher Subventionen für unabhängige gemeinnützige Presseorgane, die auch »il manifesto« erhielt, rigoros durch. Dadurch geriet die Zeitung mit nur geringen Werbeeinnahmen in immer stärkere Verschuldung. Die Auflage fiel unter 20.000 Exemplare. Die rund 60 Mitarbeiter erhalten schon seit September 2011 kein Gehalt mehr.
Bereits im Februar dieses Jahres wurde für die von einer Genossenschaft herausgegebene Zeitung die Zwangsliquidation eingeleitet. Trotzdem haben die Mitarbeiter bisher die Herausgabe ihres Blattes gesichert und Ringen um eine Fortsetzung. »Wir werden darum kämpfen, weiterhin zu erscheinen, auch wenn die Situation für jeden von uns sehr schwierig ist« , sagte Chefredakteurin und Herausgeberin Norma Rangeri. Als die Zeitung am 12. Mai mit »No« im Titel erschien und zu Spenden zur Unterstützung aufrief, meldeten sich Tausende mit Solidaritätsbekundungen. Vannino Chiti, Vizepräsident des Senats von der Demokratischen Partei, forderte Regierungsmaßnahmen zum Erhalt des Blattes als »einer freien und unabhängigen Stimme« , die er als einen »Eckpfeiler der Demokratie« bezeichnete. Paolo Ferrero, Sekretär der Partito della Rifondazione Comunista, PRC nannte die Kürzungen der Subventionen durch die Monti-Regierung eine »Tötung des Medienpluralismus« . Noch gibt es Hoffnungen, das Quotidiano comunista zu erhalten.

 »il manifesto« blickt auf eine 43-jährige traditionsreiche linke Mediengeschichte zurück. Es ging aus einer breiten Oppositionsbewegung innerhalb der Italienischen Kommunistischen Partei (PCI) gegen den Kurs der Abgrenzung der Partei von der 1968er Protestbewegung und von linksradikalen Organisationen wie »Lotta Continua« (Ständiger Kampf) hervor, die im Zentrum der Arbeiterkämpfe in der Fiat-Metropole Turin 20.000 Mitglieder zählte, von denen viele am bewaffneten Kampf gegen die faschistische Gefahr teilnahmen. Im November 1969 schloß das ZK der PCI die unter dem Namen »il Manifesto« entstandene innerparteiliche Opposition wegen »Linksabweichung« aus der Partei aus, darunter die legendären Kommunisten Luigi Pintor und Rossana Rossanda. Insgesamt wurden etwa 10.000 Mitglieder ausgeschlossen oder verließen die Partei. Luigi Pintor und Rossana Rossanda gründeten anschließend die Zeitung, die als Organ der Vereinigung »il manifesto« zunächst als intellektuelle Monatszeitschrift, ab 1971 als von einer Genossenschaft herausgegebene Tageszeitung erschien.

 »il manifesto« wandte sich entschieden gegen den seit Beginn der 1970er Jahre unter der Ideologie des sogenannten Eurokommunismus in der PCI um sich greifenden Reformismus, der in der Konzeption des »Historischen Kompromisses« der Klassenzusammenarbeit mit der großbürgerlichen Democrazia Cristiana unter Enrico Berlinguer (seit 1971 Generalsekretär) gipfelte. Anfang Juli 1974 löste sich »il Manifesto« als Vereinigung auf und schloß sich der von revolutionären Sozialisten gegründeten Partei der Proletarischen Einheit (PdUP) an, die dem »Historischen Kompromiß« eine linke Alternative entgegensetzte. Ausgangspunkt der PdUP-Gründung waren Aktivitäten, die bereits nach der Regierungsbeteiligung der PSI 1963 und ihrer folgenden (zeitweiligen) Vereinigung mit den Sozialdemokraten Saragats einsetzten. Die PdUP löste sich 1984 auf und eine Mehrheit trat zur PCI über, die nach dem Scheitern ihrer Kompromiß-Linie sich 1979 wieder für eine linke Regierungsalternative ausgesprochen hatte. Starke Reste der PdUP nahmen 1991 nach der Liquidierung der PCI durch die Revisionisten an der Neugründung der PRC teil.

Die 1924 geborene Journalistin und Schriftstellerin Rossana Rossanda nahm in jungen Jahren als Partisanin am antifaschistischen Widerstandskampf teil. Sie wurde unter Palmiro Togliatti 1959 ins Zentralkomitee der PCI gewählt, wo sie für Kulturfragen zuständig war. 1963 wurde sie mit dem Mandat der PCI in die Abgeordnetenkammer gewählt. Sie wurde über die Grenzen Italiens hinaus als eine engagierte parteiunabhängige kommunistische Theoretikern bekannt. Unter mehreren ihrer Bücher ist ihre 2007 bei Suhrkamp erschienene Autobiographie »La ragazza del secolo scorso« (Die Tochter des 20. Jahrhunderts).

Gerhard Feldbauer