Gipfeltreffen der Arabischen Liga will Einheit
Kooperation statt Konfrontation
Das 32. Arabische Gipfeltreffen ist am vergangenen Freitag zu Ende gegangen. Die abschließende Erklärung von Jeddah rief zur Einheit der arabischen Staaten auf.
Die Arabische Friedensinitiative wurde bekräftigt, um den Konflikt zwischen Israel und Palästina zu lösen. Die Initiative aus dem Jahr 2000 ist bekannt unter dem Motto »Land für Frieden« und sieht vor, daß Israel sich aus den 1967 besetzten arabischen Gebieten zurückziehen muß, um die Zwei-Staaten-Lösung umzusetzen mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt Palästinas. Im Gegenzug gebe es Frieden.
Israel ist nie auf das arabische Angebot eingegangen. Erst am Samstag zuvor provozierten Tausende jüdisch-israelische Nationalisten am so genannten »Flaggentag« mit einem Marsch durch Ostjerusalem. Anlaß war die Besatzung Ostjerusalems 1967, die von den Zionisten mit dem Tragen und Hissen der israelischen Fahne »gefeiert« wird.
Erklärung für Frieden und Stabilität
In der abschließenden Erklärung wird auch zur Deeskalation im Sudan aufgerufen. Die konkurrierenden Parteien müßten zu Dialog und Einheit zurückfinden, heißt es. Die Rückkehr Syriens in die Arabische Liga wurde ausdrücklich begrüßt, alle arabischen Staaten müßten zusammenarbeiten, um die Probleme in Syrien zu lösen. Die Friedensgespräche im Jemen wurden begrüßt und der Libanon wurde ermuntert, zügig einen neuen Präsidenten zu wählen, um sich auch auf eine neue Regierung einigen zu können.
In der Punkt 6 der Erklärung, die im englischen Wortlaut von der saudischen Nachrichtenagentur SPA veröffentlicht worden war, wurde ein Ende »ausländischer Einmischung in die inneren Angelegenheiten arabischer Länder« gefordert. Ausdrücklich wurde »jede Unterstützung für die Bildung bewaffneter Gruppen und Milizen« zurückgewiesen, die jenseits von staatlichen Einrichtungen operierten.
Innerarabische bewaffnete Konflikte nutzen niemandem, sondern würden »das Leid der Bevölkerung verschärfen, ihre Errungenschaft zerstörten und ihren Fortschritt verhindern«. Ahmed Abul Gheit, Generalsekretär der Arabischen Liga, betonte in einer abschließenden Rede die Notwendigkeit, daß die arabischen Staaten ihre Zukunft selber in die Hand nehmen müßten.
Meilenstein für Stabilität und Sicherheit
Ein Sprecher des saudischen Informationsministeriums betonte gegenüber der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua, Saudi-Arabien strebe die erneute Einigung der arabischen Staaten an. Frieden sei nicht nur für die Region wichtig, sondern helfe auch den internationalen Partnern. Die Rückkehr Syriens in die arabische Gemeinschaft sei eine »große Chance für Stabilität in Syrien«, so der Sprecher. Das Gipfeltreffen sei »ein Meilenstein, um Frieden in einer unruhigen Region zu schaffen«.
Westliche Regierungen und Medien kritisierten die Rückkehr Syriens in die Arabische Liga. Die britische »Times« bezeichnete den syrischen Präsidenten als »schlimmsten Kriegsverbrecher der Nachkriegszeit«. Die »Wiedereingliederung Syriens in das diplomatische Gefüge der Region ist ein Skandal und eine Schande«, hieß es in dem Artikel der »Times«, der auch von der Deutschen Presseagentur (dpa) verbreitet wurde. DPA berichtete auch von Protesten im Nordwesten Syriens gegen die Entscheidung der arabischen Staaten. die »die syrische Opposition verraten« hätten. Die kurdisch geführten »Syrischen Demokratischen Kräfte« (SDF) im von den USA besetzten Nordosten Syriens begrüßten dagegen die Wiederaufnahme Syriens in das arabische Staatenbündnis.
Der syrische Präsident Baschar al Assad nahm in Jeddah zum ersten Mal seit 2011 wieder an einem Gipfeltreffen der Arabischen Liga teil und machte auch von seinem Rederecht Gebrauch. Es biete sich »die Gelegenheit, die internationale Situation zu ändern, die sich in Form einer unipolaren Welt darstellt« sagte er. Diese Welt sei »das Ergebnis der Dominanz des Westens – eine Weltordnung ohne moralische Prinzipien.«
Präsident Assad sprach von einer »historischen Chance«, und die arabische Welt müsse in die »positive Atmosphäre der Versöhnung investieren«, die dem Gipfel vorausgegangen sei. Das Wichtigste sei, »die inneren Angelegenheiten der Länder den Menschen zu überlassen, denn sie sind diejenigen, die ihre Angelegenheiten regeln können.« Einmischung von außen müsse verhindert werden.
Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) luden Syrien offiziell zur Teilnahme am UNO-Klimagipfel COP 28 in Dubai ein. Wenn der Klimawandel gestoppt werden solle, müßten »alle im gleichen Raum« versammelt werden, sagte ein Sprecher gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Am Rande des Gipfeltreffens wurde auch bekannt, daß Syrien und Tunesien ihre diplomatischen Beziehungen wieder aufgenommen haben.
Sanktionen als USA-Gesetz
Die USA und die EU hatten die Rückkehr Syriens in das Staatenbündnis scharf kritisiert. Das USA-Repräsentantenhaus sprach von einem »strategischen Fehler«, Kongreß-Abgeordnete drängen auf ein Gesetz, das jeder USA-Regierung die Normalisierung mit einer syrischen Regierung unter Assad verbieten soll. Auch das »Casesar-Gesetz« soll demnach gesetzlich verankert werden, um allen Staaten, die ihre Beziehungen mit Syrien wiederaufnehmen wollten, »ein Signal zu senden«. Das gelte besonders für die Türkei und die arabischen Staaten, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters. Wer sich »mit Assad’s Regierung« einlasse, müsse »mit schweren Konsequenzen rechnen«.
So sollen beispielsweise Flughäfen, die Starts und Landungen von der Syrischen Arabischen Fluggesellschaft oder Cham Wings, einer anderen syrischen Airline genehmigen, sanktioniert werden können. Auch Spenden über 50.000 US-Dollar, die in Gebiete unter Kontrolle der syrischen Regierung aus der Türkei, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Ägypten oder anderen Ländern überwiesen werden sollten, könnten gestoppt werden.
Das würde vor allem Hilfsorganisationen oder Unternehmen treffen, die sich an der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln oder Medikamenten, die an Bauern Düngemittel liefern oder sich im Wiederaufbau Syriens engagieren wollen. Ein Sprecher des USA-Außenministeriums wollte gegenüber Reuters das Vorhaben nicht kommentieren. Allerdings sei klar, daß die USA-Administration ihre Beziehungen zur Assad-Regierung nicht normalisieren werde und auch Partnerländer auffordere, das nicht zu tun.
Baerbock am Golf
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock, die fast zeitgleich mit dem Arabischen Gipfeltreffen Saudi-Arabien und Katar besuchte, wollte vor allem die Kooperation beider Länder mit Deutschland sicherstellen, damit zukünftig Flüssiggas und grüner Wasserstoff nach Deutschland und Europa gelangen. Gegenüber ihren Gesprächspartnern kritisierte Baerbock die Entscheidung, Syrien wieder in die Arabische Liga aufzunehmen. Eine »bedingungslose Normalisierung« mit Assad dürfe es nicht geben, erklärte sie, worauf ihr saudischer Amtskollege nicht einging.
Bereits bei der Münchner »Sicherheitskonferenz« im Februar 2023 hatte der saudische Außenminister Prinz Faisal bin Farhan Al-Saud erklärt, die arabischen Staaten müßten mit Syrien ein neues Kapitel aufschlagen. Die Isolation des Landes führe nirgendwohin, man brauche Dialog und müsse Syrien in humanitären Fragen und bei der Rückkehr der Flüchtlinge unterstützen. Die USA und die EU hatten selbst nach dem Erdbeben Anfang Februar keine Anzeichen gemacht, ihre einseitige Isolationspolitik gegenüber Syrien zu stoppen.
Mehr Gehör fand Frau Baerbock bei ihrem Amtskollegen in Doha, der Hauptstadt des Emirats Katar. Katar werde der Wiedereingliederung Syriens in die Arabische Liga nicht im Wege stehen, hieß es zwar im katarischen Außenministerium. Bilaterale Beziehungen mit Syrien sollten aber erst wiederaufgenommen werden, wenn die Regierung in Damaskus »die Probleme, die zu dem Krieg geführt hätten, beseitigt« habe.
Katar gehörte spätestens seit 2012 mit Saudi-Arabien, der Türkei, Jordanien und den USA zu den Staaten, die in großem Umfang Waffen über Amman (Jordanien) und Ankara (Türkei) ins syrische Grenzgebiet geschmuggelt hatten. Die Waffen wurden dort unter Aufsicht der CIA an Oppositionsgruppen übergeben. Die Operation »Timber Sycamore« – die offiziell 2013 begonnen haben soll – hat den USA-Haushalt mit mindestens 1 Milliarde US-Dollar belastet. Die Operation umfaßte militärische Ausbildung sowie die Finanzierung und Unterstützung von syrischen oppositionellen Medienzentren und zivilgesellschaftlichen Gruppen.
Saudi-Arabien in einer multipolaren Weltordnung
Saudi-Arabien hat sich nun der Politik der »einheimischen Lösungen« für die innerarabischen Konflikte verschrieben. Eine saudische Verhandlungsdelegation reiste in den Jemen, um Gespräche mit den Huthis über einen Friedensfahrplan zu führen. Die Unterstützung Syriens wurde mit der Rückkehr in die Arabische Liga manifestiert und im Libanon unterstützen Saudi-Arabien und der Iran erstmals seit langem wieder den gleichen Präsidentschaftskandidaten. Den USA-Avancen der »Normalisierung mit Israel« zeigt der saudische Kronprinz Mohamed Bin Salman (MBS) zumindest offiziell die kalte Schulter.
Krieg im Sudan
Der neue Krieg im Sudan allerdings birgt wenig Aussicht auf Lösung. Bei einem Treffen in Jeddah Anfang Mai konnte zwar ein befristeter Waffenstillstand und die Verteilung von humanitärer Hilfe vereinbart werden, doch beide Kriegsparteien haben kein Interesse an einer Einigung. Sie kämpfen um politische Macht und den Erhalt und Zugang zu den lukrativen Ressourcen im Geschäft mit Öl, Gold, Bergbau und Nahrungsmitteln, wie Hirse, Sesam, Milch und Milchprodukten und Arabischer Gummi, der u.a. für die Papier- und Farbenherstellung gebraucht wird.
Jede ausländische Einmischung in den Konflikt im Sudan müsse verhindert werden, heißt es in der Abschlußerklärung der Arabischen Liga. Und der saudische Kronprinz bekräftigte die Hoffnung, daß die Gespräche in Jeddah dazu beitragen können, einen »wirksamen Waffenstillstand im Sudan« zu erreichen.
Als »Ehrengast« legte der ukrainische Präsident Selenski auf dem Weg nach Japan zum G7-Treffen einen Zwischenstopp in Jeddah ein. Der saudische Kronprinz versicherte ihm, sich für einen Waffenstillstand im Ukraine-Krieg einzusetzen. Weitere Waffenlieferungen wurden Selenski allerdings nicht zugesagt, auch wollen die arabischen Staaten die westlichen Sanktionen gegen Rußland nicht mittragen.
Kooperation mit China
Der chinesische Präsident Xi Jinping begrüßte die Entscheidungen der Arabischen Liga, Einheit und Frieden unter den Staaten der Region zu bewahren. In einem Schreiben an das Gipfeltreffen hob Xi insbesondere Saudi-Arabien hervor, das »eine bedeutende Macht in einer multipolaren Welt« sei. Die Entwicklung von Solidarität und Zusammenarbeit der arabischen Staaten werde den Frieden in der Region erhalten.
Am Wochenende wurde bekannt, daß China und der Jemen ein Investitionsabkommen für den Ölsektor unterzeichnet haben. Das Ministerium für Öl und Mineralien in Sanaa und die chinesische Ölgesellschaft Antonoil vereinbarten Berichten zufolge, Investitionen, um den vom Krieg gezeichneten Ölförderung des Landes zu reaktivieren.