Kultur24. September 2022

Autorin der »Wolf Hall«-Trilogie gestorben

von dpa/ZLV

Die preisgekrönte britische Schriftstellerin Hilary Mantel ist im Alter von 70 Jahren gestorben. Dies teilte ihr Verlag am Freitag via Twitter mit.

Nur drei Personen können für sich in Anspruch nehmen, den Bookerpreis, die wichtigste britische Literaturauszeichnung, gleich zweimal gewonnen zu haben. Neben dem Südafrikaner J. M. Coetzee und dem Australier Peter Carey war Hilary Mantel eine von ihnen: Zunächst 2009 für »Wolf Hall« und dann auch 2012 für die Fortsetzung »Bring up the Bodies«. Die Bücher sind Teil einer Trilogie über den englischen Staatsmann Thomas Cromwell, die in deutscher Übersetzung unter den Titeln »Wölfe«, »Falken«, sowie »Spiegel und Licht« erschienen sind.

Hilary Mary Mantel wurde 1952 in Glossop in der englischen Grafschaft Derbyshire geboren und wuchs als ältestes von drei Kindern im Nachbardorf Hadfield auf. Ihre familiären Wurzeln lagen in Irland – nach dem Brexit kündigte sie 2021 an, die irische Staatsbürgerschaft annehmen zu wollen. Sie besuchte die Harrytown-Klosterschule in Romiley (Cheshire). 1970 bis 1973 studierte sie Jura an der London School of Economics und der Sheffield University mit Bachelorabschluß. Weiterführende Studienpläne mußte sie aus Geldmangel aufgeben.

Schon 1974 begann sie einen historischen Roman über die Französische Revolution, für den sie jedoch zunächst keinen Verleger fand. Zusammen mit ihrem Mann ging sie 1977 als Sozialarbeiterin nach Botswana und begleitete ihn 1983 nach Saudi-Arabien, wo er für vier Jahre in der Ölindustrie der Hafenstadt Dschidda arbeitete. Dort entstand Mantels Debütroman »Every Day is Mother's Day« (1985). Die Sozialsatire und ihre Fortsetzung erschienen erst 2016 auf Deutsch (»Jeder Tag ist Muttertag« und »Im Vollbesitz des eigenen Wahns«).

Nach ihrer Rückkehr aus Saudi-Arabien schrieb sie unter anderem Filmkritiken für das britische Wochenmagazin »The Spectator«, veröffentlichte schon 2003 ihre Autobiografie »Giving up the Ghost« (deutsch 2015, »Von Geist und Geistern«) und mehrere Romane.

Von Kritikern jahrelang stets hoch gelobt, war Mantel kommerziell aber nur mäßig erfolgreich, bis ihr 2009 mit »Wolf Hall« ein Sensationserfolg gelang. Das Buch verkaufte sich besser als jeder Bookerpreis-Siegertitel zuvor. Es schildert die Zeit, in der sich England unter König Heinrich VIII. (1509-1547) von der katholischen Kirche löste, aus der Perspektive des Lordkanzlers und Strippenziehers Thomas Cromwell. Aus Mantels Sicht bot die frühe Tudor-Dynastie mit ihrer Melange aus »Sex, Melodrama, Verrat, Verführung und gewaltsamem Tod« einen hervorragenden Romanstoff und mit Cromwell überdies eine interessante und facettenreiche Persönlichkeit.

Der 2012 als Fortsetzung erschienene Roman »Bring up the Bodies« behandelt das Schicksal von Anne Boleyn, der zweiten der sechs Ehefrauen Heinrichs VIII., die auf Betreiben Cromwells hingerichtet wurde. Im dritten Teil erzählte Mantel über die letzten vier Jahre bis zur Hinrichtung Cromwells.

Aus ihrer republikanischen Haltung machte Mantel nie einen Hehl, auch wenn sie durch die Tudor-Romane quasi zur Monarchieexpertin avancierte. Ungeachtet dessen verlieh die kürzlich verstorbene Queen Elizabeth II. Mantel aufgrund ihrer literarischen Verdienste 2014 das Adelsprädikat »Dame Commander« im Ritterorden des British Empire. Wie ihr Verlag in Britannien der britischen Nachrichtenagentur PA zufolge mitteilte, starb die Erfolgsautorin »plötzlich, aber friedlich« im Kreise ihrer Familie.