Leitartikel

Unser Leitartikel : Patron wechsle dich

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Gestern meldete die Firma »TAP dayli« im österreichischen Linz einen Insolvenzantrag an. Nach der Schlecker-Pleite im Jahr 2012, als allein in Deutschland über 10.000 Beschäftigte ihre größtenteils als prekär einzustufende Arbeit verloren, stellte sich dayli-Chef Rudolf Haberleitner als großen Retter vor und übernahm mit einem Fonds die Filialen in Österreich, Italien, Polen, Luxemburg und Belgien, in denen zu diesem Zeitpunkt insgesamt 3.468 Angestellte beschäftigt waren. Haberleitners Plan war der Aufbau einer Nahversorger-Kette mit aggressiven Öffnungszeiten am Wochenende. Auf die Beschäftigten kam viel Umbauarbeit, neue Strukturen und ein neues Sortiment zu. Die Bezahlung änderte sich nicht nennenswert. Der Start verlief schleppend : Wochenlang leere Regale und nur langsam trudelte die erste neue Ware ein.

Schon bei der Schlecker-Pleite seinerzeit standen die Angestellten in der Informationskette ganz hinten und erfuhren buchstäblich aus der Presse von ihrem Schicksal. Monate der Ungewißheit und des Bangens folgten. In Luxemburg hat dayli 28 Filialen mit 110 Beschäftigten, die nun erneut um ihre Existenz bangen müssen. Den Gewerkschaften bleibt erneut nur die Rolle des Vertrösters : In der kommenden Woche sei eine Unterredung zwischen Patronat und Syndikaten geplant, hieß es gestern.

Geschehenes wiederholt sich insofern, als erneut beteuert wird, man stehe in »engem Kontakt« zum Patronat. Dieses habe mitgeteilt, eine Sanierung solle durch »Fremdverwaltung« erfolgen, mit dem Ziel, die Finanzierung des Unternehmens zu sichern. Haberleitner wird vorgeworfen, bei der Suche eines Investors für die dayli-Geschäfte in Italien von Betrügern um rund eine Million Euro erleichtert worden zu sein.

Für Unternehmen wie Haberleitners »TAP dayli« sind Supermarktketten Investitionsobjekte, die wie Figuren auf einem Schachbrett hin- und hergeschoben werden. Leidtragende sind und bleiben immer jene, die am meisten leisten und erwirtschaften : Die Angestellten. Ihnen jedoch wird ein direktes Mitspracherecht verwehrt. Als etwa in Deutschland »Schlecker-Frauen« auf die Idee kamen, als Kollektiv ihre Filiale in einem ansonsten angebotsarmen Dorf weiterzuführen, traute ihnen dies niemand zu, bei Karstadt etwa wurde dies verhindert und der Verkauf an einen Investor angeleiert. Dieser bekämpft nun die Gewerkschaft mit allen Mitteln, um Dumpinglöhne abseits jeden Tarifs durchsetzen zu können, im Namen der Rendite.

Daß so etwas funktionieren kann zeigte zuletzt das Beispiel eines geschlossenen Zulieferbetriebes für die Autoindustrie in der Nähe von Mailand. Hier erhielten die 330 Beschäftigten zwischen 2010 und 2012 ihre Kündigung und organisierten sich nach der Stillegung der Produktionshalle selbst, um in den alten Räumlichkeiten ihrer ehemaligen Lohnanstellung ein im Kollektiv betriebenes lokales Recyclingzentrum zu führen. Ihr Ziel sei die Schaffung von günstigen Elektrogeräten und Werkzeugen, sowie Fahrrädern. Alles aus Dingen, die vom Schrott stammen. Nach und nach wolle man alle Entlassenen wieder in Arbeit bringen. Als Teilhaber, nicht als Lohnempfänger.

Solche Beispiele zeigen, daß nicht zwangsläufig alle Mittel ausgeschöpft sind, wenn sich kein gnädiger Investor findet, kein neuer Patron, unter dem die Mannschaft rudern darf.

Christoph Kühnemund