Kriegsmanöver in Asien
In Ostasien weiten die westlichen Mächte ihre Kriegsübungen rasant aus. USA-Militärs warnen vor baldigem Krieg
Mit der Entsendung der deutschen Fregatte »Bayern« nach Ostasien am kommenden Montag beteiligt sich die Bundesrepublik an einer rasanten Ausweitung westlicher Kriegsübungen im direkten Umfeld Chinas. Derweil ist eine Flugzeugträgerkampfgruppe um den neuen britischen Flugzeugträger »HMS Elizabeth« in das Südchinesische Meer eingefahren. Die französischen Streitkräfte haben – nach Marinemanövern im Golf von Bengalen Anfang April – in diesem Monat gemeinsame Luftkampfübungen mit USA-Jets in Hawaii abgehalten.
Die USA-Luftwaffe wiederum hält aktuell ein Manöver ab, das Experten als realistische Probe für einen Krieg gegen China unter heutigen Voraussetzungen einstufen.
Die Fahrt der Fregatte »Bayern«
Die Fregatte »Bayern« wird am Montag zu einer mehr als ein halbes Jahr währenden Fahrt nach Ostasien aufbrechen. Auf ihrem Weg dorthin wird sie zunächst an der NATO-Operation »Sea Guardian« im Mittelmeer und anschließend an der EU-Operation »Atalanta« am Horn von Afrika teilnehmen. Nach der folgenden Durchquerung des Indischen Ozeans ist die Weiterfahrt durch die Straße von Malakka geplant; vorgesehen war außerdem das Anlegen in Häfen des Verbündeten Australien.
Formeller Höhepunkt soll die Beteiligung an der Überwachung der UNO-Sanktionen gegen Nordkorea sein, in deren Rahmen die »Bayern« laut Angaben der Bundesregierung »zum maritimen Lagebild« beitragen soll: »durch Beobachten und Melden verdächtiger Aktivitäten sowie durch Verbindungsaufnahme mit verdächtigen Schiffen«.
Auf ihrer Rückreise wird die Fregatte das Südchinesische Meer durchqueren. Auf die schärfsten Varianten der Provokation – die Durchquerung der Taiwanstraße sowie das Eindringen in Zwölfmeilenzonen rings um Inseln, die von China beansprucht werden – wird das Kriegsschiff verzichten. Dem Vernehmen nach ist die deutsche Bundesregierung bemüht, einen Zwischenstopp in einem chinesischen Hafen auszuhandeln; allerdings ist unklar, ob Peking diese vermeintliche Deeskalationsgeste akzeptiert.
Dauerhaft in Asien präsent
Derzeit operieren die Streitkräfte anderer westlicher Mächte im Südchinesischen Meer und im Pazifik mit steigender Intensität. Am Mittwoch fuhr die Flugzeugträgerkampfgruppe um den neuen britischen Flugzeugträger »HMS Elizabeth« in das Südchinesische Meer ein. Die Kampfgruppe, an der auch Kriegsschiffe aus den Niederlanden und aus den USA sowie USA-Kampfjets vom Typ F-35 beteiligt sind, hatte zuvor Übungen mit den Streitkräften Malaysias, Thailands und Indiens sowie zuletzt mit der Marine Singapurs abgehalten, nachdem sie zwischenzeitlich mit diversen Covid-19-Fällen und technischen Pannen zu kämpfen hatte und deshalb nur teilweise einsatzbereit war.
Für die kommenden Tage und Wochen sind weitere gemeinsame Übungen mit Kriegsschiffen aus Drittstaaten geplant. Die Kampfgruppe wird dabei ihre Fahrt durch das Südchinesische Meer bis in die Philippinensee fortsetzen und dann gemeinsam mit den japanischen Streitkräften trainieren, bevor sie die Heimreise antritt. Ende August wird London außerdem zwei Patrouillenboote nach Asien entsenden. Wie der britische Militärminister Ben Wallace mitteilt, soll die britische Marine dort in Zukunft dauerhaft mit zwei Kriegsschiffen präsent sein.
Komplexe Kampfoperationen
Auch die französischen Streitkräfte weiten ihre Aktivitäten in Asien aus. Hatten sie etwa Anfang April im Golf von Bengalen ein gemeinsames Marinemanöver (»Le Pérouse«) mit den Streitkräften der »Quad«-Staaten (USA, Japan, Australien, Indien) durchgeführt, so ging vor gut drei Wochen die Kriegsübung »Heifara-Wakea« inmitten des Pazifik zu Ende. Dabei wurden zunächst drei Rafale-Kampfjets, ein Tankflugzeug A330 MRTT und zwei Transportflugzeuge A400M aus Frankreich nach Tahiti verlegt – mit einem einzigen Zwischenstopp auf der US Air Base Travis bei San Francisco. Tahiti ist die Hauptinsel des Überseegebiets Französisch-Polynesien im Südpazifik. Dort unterhalten die französischen Streitkräfte eine ihrer zwei pazifischen Militärbasen; die zweite befindet sich auf Neukaledonien im Südwestpazifik.
Die französischen Piloten, die während des Manövers zwei Einsatzflüge am Tag absolvierten, schlossen die Übung mit einem gemeinsamen Training mit US-amerikanischen F-22-Tarnkappenjets ab, die von einer Basis auf Hawaii nördlich von Französisch-Polynesien abhoben. Das Manöver sei ein voller Erfolg gewesen, urteilte anschließend der Kommandeur der französischen Luft- und Weltraumstreitkräfte, General Philipp Lavigne: Man habe bewiesen, daß man im hochumstrittenen Pazifik gemeinsam mit Verbündeten komplexe Kampfoperationen absolvieren könne.
»Operation Pacific Iron«
Die USA-Streitkräfte wiederum haben soeben mehr als zwei Dutzend Tarnkappenjäger des Modells F-22 (»Raptor«), zehn Jagdbomber vom Typ Boeing F-15E sowie zwei Transportflugzeuge C-130J (»Hercules«) zu dem Manöver »Operation Pacific Iron« in den Westpazifik verlegt. Im Kriegsfalle würden die F-22 gleich zu Beginn der Kampfhandlungen eingesetzt, um gegnerische Luftabwehr auszuschalten; Experten weisen darauf hin, daß üblicherweise höchstens zwölf Stück gleichzeitig an Übungen teilnehmen – ein Beleg dafür, daß »Pacific Iron« eine herausragende Bedeutung besitzt.
Eine weitere Besonderheit besteht darin, daß die Flugzeuge nicht von den großen USA-Basen in Japan und Südkorea sowie auf Guam starten, sondern von kleineren Air Fields auf Guam und auf der ebenfalls zum Marianen-Archipel zählenden Insel Tinian. Damit trägt die US Air Force der Tatsache Rechnung, daß die chinesischen Streitkräfte nicht zuletzt dank ihrer starken Raketenstreitkräfte in der Lage sind, gegnerische Startbahnen innerhalb kürzester Zeit umfassend zu zerstören. Um nicht an Kampfkraft einzubüßen, probt die USA-Luftwaffe nun die Verlegung ihrer F-22 auf diverse kleinere Flugplätze. Sie übe »präzise die Einsätze, die sie im Falle einer größeren Krise oder eines Krieges durchführen« werde, wird der frühere australische Luftwaffenoffizier und heutige Experte des Griffith Asia Institute Peter Layton zitiert.
Krieg schon 2024?
Die Verdichtung der westlichen Manöver und ihre zunehmende Fokussierung auf Kampfeinsätze, die unter aktuellen Voraussetzungen höchst realistisch sind, begleiten Prognosen hochrangiger USA-Militärs, denen zufolge ein baldiger Krieg der Vereinigten Staaten gegen China wahrscheinlich ist. So ließ sich kürzlich Admiral a.D. James G. Stavridis, Ex-Oberbefehlshaber der NATO, mit der Einschätzung zitieren, »unsere Technologie, unser Netzwerk von Verbündeten und Stützpunkten in der Region« sei den chinesischen Kapazitäten überlegen – »noch«. Allerdings werde die Volksrepublik »gegen Ende des Jahrzehnts, wenn nicht sogar früher, ... in der Lage sein«, die USA zumindest »im Südchinesischen Meer ... herauszufordern«.
Stavridis hat kürzlich einen Roman publiziert, in dem er einen fiktiven Krieg zwischen den USA und China 2034 beginnen läßt. Mittlerweile urteilt er: »Wir haben vielleicht nicht mehr bis 2034 Zeit, uns auf die Schlacht vorzubereiten – sie könnte viel früher kommen.« Einige seiner Militärkollegen verträten bereits die Meinung, es gehe »nicht um 2034«; der große Krieg könne früher eintreten – womöglich schon »2024 oder 2026«.

