Italien verschärft Anti-Corona-Maßnahmen
Proteste gegen »Gesundheitsdiktatur« der Regierung. Giro und Viennale finden statt
Wie die italienische Nachrichtenagentur ANSA berichtete, hat die Mitte-Links-Regierung aus den Hauptpartnern Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) und sozialdemokratischem Partito Democratico (PD) des parteilosen Premier Giuseppe Conte ein Dekret mit umfangreichen Maßnahmen zur Verschärfung der Anti-Corona-Maßnahmen beschlossen. ANSA hebt die Notwendigkeit der Verordnung mit der Tatsache hervor, daß in den 24 Stunden davor mehr als 6.000 Neu-Infizierte registriert worden waren.
Der von Gesundheitsminister Roberto Speranza (Linkspartei Freie und Gleiche – LeU) vorgelegte Erlaß setzt dem Nachtleben, Ausflügen und Partys ein »Halt«, verbietet u.a. Privatfeiern in größerem Kreis, legt neue Regeln für Sperrstunden der Lokale fest. Versammlungen vor Bars und Restaurants sollen vermieden werden. Zu Hause, bei Partys, Abendessen oder anderen Anlässen sollen nicht mehr als sechs Familienmitglieder oder Freunde, mit denen man nicht zusammenlebt, empfangen werden. Auch Schulausflüge werden wieder verboten, ebenso Fußball und andere Kontaktsportarten auf Amateurebene gestoppt. In ganz Italien gilt bereits auch im Freien die Maskenpflicht.
Die Zahl der Neuinfektionen in Italien steige, liege jedoch unter dem Niveau anderer Länder wie Frankreich, so der Minister, der gegenüber dem Sender RAI 3 erklärte: »Wir müssen die Maßnahmen wieder verschärfen, um die Epidemiekurve unter Kontrolle zu bringen«. Zugleich versicherte er, daß es keinen gesamtstaatlichen erneuten Lockdown geben werde, da dazu die Bedingungen derzeit nicht vorhanden seien.
Gleichzeitig wird die Quarantäne auf zehn Tage verkürzt. Künftig soll außerdem ein negativer Coronatest genügen, um die Quarantäne zu beenden. Bisher waren zwei negative Tests gefordert. Das Dekret tritt zunächst für die nächsten dreißig Tage in Kraft. Die neue Verordnung geht, wie Medien hervorheben, auch davon aus, daß Italien nach Ausbruch der Pandemie im März mit mehr als 36.000 Toten im Zusammenhang mit Corona schwer getroffenen wurde und alles unternommen werden müsse, um einen neuen Ausbruch zu verhindern.
Wie das Onlineportal »Südtirol News« berichtet, will der Chef der Provinz-Regierung von Südtirol, Landeshauptmann Kompatscher, nur »eine verkürzte Quarantäne« übernehmen, womit offensichtlich den vor allem aus Deutschland ausgehenden Einreisebeschränkungen für Touristen vorgebeugt werden soll. Auf Unmut stoße vor allem die von Rom verordnete Maskenpflicht im Freien. Sie sei bei einer Umfrage von 72 Prozent abgelehnt worden, so das Portal am Mittwoch. Auch beim Giro d’Italia, der am 3. Oktober in Sizilien begann und in der lombardischen Metropole Mailand endet, befürchtet Renndirektor Mauro Vegni Auswirkungen. »Wenn uns die Behörden verbieten, weiterzufahren, müssen wir uns daran zu halten. Ein verkürzter Giro ist etwas, wozu wir gezwungen werden könnten«, zitiert ihn ANSA.
Entwarnung kommt dagegen aus Venedig, wo am 22. Oktober die 58. Viennale eröffnet wird, wenn auch Corona-bedingt um drei Tage und zahlreiche Filme verkürzt, wie Festivalchefin Eva Sangiorgi bekanntgab. Dennoch würden alleine im regulären Programm 86 Spiel- und Dokumentarfilme sowie 27 Kurzfilme gezeigt. »Wir wollen, daß die Kultur überlebt und daß die Kinos dieser Stadt überleben«, erklärte die Viennale-Chefin.
Der Verkündung des Dekrets waren am Samstag auf der Piazza San Giovanni in Rom Proteste gegen die Gesundheitspolitik der Regierung vorangegangen. Eine nicht näher bezeichnete Gruppe von Menschen hatte zu einem »Marsch der Befreiung« aufgerufen, an dem sich, wie ANSA berichtete, laut der Veranstalter 7.000 Personen beteiligt haben sollen. Sie verurteilten unter anderem eine angeblich von der Regierung in der Pandemie errichtete »Gesundheitsdiktatur«. Wie die römische Zeitung »La Repubblica« schrieb, waren es nur etwa 2.000 Teilnehmer, unter denen sich auch EU- und Impfgegner befanden. Ein Teil der Protestierenden habe trotz der geltenden Maskenpflicht im Freien keinen Mund-Nasen-Schutz getragen. Zwischen der einschreitenden Polizei und Demonstranten war es zu Zusammenstößen gekommen.
Gerhard Feldbauer
Premierminister Giuseppe Conte erläutert vor Journalisten im Palazzo Chigi am Dienstag die neuen Maßnahmen (Foto: EPA-EFE/ANGELO CARCONI)