Der Regen kann nicht nach aufwärts
Und das ist es auch, weswegen
ihr euch nicht wundern dürft,
wenn sie sich werfen auf uns, wie der Regen
sich auf den Boden wirft.
Bertolt Brecht, Das Lied vom Klassenfeind
Vier Generationen von Arbeitern waren der Familie Faber als Mehrwertproduzenten derart willkommen, daß sie zur Hundertjahrfeier der Merscher Druckerei sogar symbolisch in die angebliche »große Familie« aufgenommen wurden.
Bis vergangene Woche, als der 75-köpfigen Belegschaft via RTL beschieden wurde, man sei nicht mehr an ihrer Arbeitskraft interessiert. Die Unternehmenserben hatten noch nicht einmal soviel Anstand, den »lieben Mitarbeitern« persönlich und vorab zu erklären, daß der von ihnen kontrollierte Verwaltungsrat Konkurs anmelden wird.
Möglicherweise wollten die Damen und der Herr Couponschneider lästigen Fragen aus dem Weg gehen, warum Insolvenzantrag für ein Unternehmen gestellt wird, dessen Auftragsbücher prall gefüllt sind und dessen Mitarbeiter noch vor kurzem Überstunden kloppen mußten.
Oder warum nötige Investitionen in neue Anlagen und Druckmaschinen nicht getätigt, Anträge auf staatliche Beihilfen verschlafen und Angebote der Belegschaft, die einen Beitrag zur Rettung »ihrer« Imprimerie Faber leisten wollten, postwendend ausgeschlagen wurden, ohne die Angebote auch nur zu prüfen.
Die Mitarbeiter hatten sich nicht nur bereiterklärt, abermals auf Kurzarbeit gesetzt zu werden, ihren Elternurlaub gegebenenfalls sofort zu nehmen oder für mehrere Monate in unbezahlten Urlaub zu gehen, sie haben Direktion und Verwaltungsrat sogar angeboten, der Firma einen Teil ihrer Ersparnisse zu leihen, wenn damit endlich die seit Jahren ausstehenden Modernisierungsinvestitionen getätigt würden.
Vielleicht wären die Erben aber auch gefragt worden, warum Arbeiten für das hundertprozentige Tochterunternehmen Faber Digital Solutions offenbar nicht korrekt abgerechnet wurden, oder warum die dritte Firma im Bunde, die Immobiliengesellschaft Faber, der Druckerei Faber die seit März 2014 ausstehende Miete für das Werksgelände in Höhe von mittlerweile einer knappen Million Euro nicht einfach gestundet hat, bis es dem »Traditionsunternehmen« wieder etwas besser geht.
Solche Fragen hätten sich die Eigentümer der Druckerei Faber sicher anhören müssen. Es ist aber leider nichts sehr wahrscheinlich, daß der Justitiar des OGBL etwas Gerichtsverwertbares findet. Wäre ja noch schöner, wenn bürgerliche Gerichte nicht imstande wären, der herrschenden Klasse ihre »unternehmerischen Freiheiten« zu garantieren und wenn nötig von den dazu aufgestellten »forces de l’ordre« durchsetzen zu lassen.
Noch viel empörender als die Untaten der Geschwister Faber und ihrer Handlanger ist das Herrschaftssystem, das diese Untaten für rechtens erklärt und das von Lenin als parasitärer, faulender Kapitalismus charakterisiert wurde.
In Brechts oben zitiertem Lied heißt es dazu treffend: »Der Regen kann nicht nach aufwärts, / weil er’s plötzlich gut mit uns meint. / Was er kann, das ist: er kann aufhör’n, / nämlich dann, wenn die Sonne scheint.«
Oliver Wagner