Luxemburg30. Juli 2025

Regierung will virtuelles Kontrollzentrum auf Findel

Gilde der Fluglotsen warnt vor inakzeptablen betrieblichen Einschränkungen und einer Beeinträchtigung der Sicherheitsmargen

von Ali Ruckert

Mobilitätsministerin Yuriko Backes brauchte anderthalb Monate, um parlamentarische Anfragen zum Kontrollturm auf dem Flughafen Findel zu beantworten. Aus der Antwort geht hervor, dass der Regierungsrat inzwischen auf Vorschlag der Mobilitätsministerin beschlossen hat, dass auf Findel kein neuer klassischer Kontrollturm gebaut werden soll, um den bisherigen, der in die Jahre gekommen ist, zu ersetzen.

Das war wohl unter der vorangegangenen Regierung so beschlossen worden und wurde seit 2018 für 132.000 Euro studiert, wurde von der CSV/DP-Regierung inzwischen aber als zu zeitaufwendig ad acta gelegt.

Wann diese Entscheidung getroffen wurde, wird ebenso wenig mitgeteilt, wie das Datum, wann der Regierungsrat beschloss, ein virtuelles Kontrollzentrum einzurichten, das nach und nach sämtliche Funktionen des derzeitigen Kontrollturms übernehmen soll.

Dafür wird die angeblich billigere Variante eines digitalen Kontrollzentrums, das in der Fachsprache »Remote-Tower« genannt wird, von der Mobilitätsministerin über den grünen Klee gelobt. Für sie wird ein digitales Kontrollzentrum nur Vorteile bringen.

Alles deutet darauf hin, dass die Mobilitätsministerin, die es gewohnt ist, als Armeeministerin mit dem Kopf durch die Wand zu gehen, auch in diesem Fall vollständig beratungsresistent ist.

Studie der Fluglotsen liegt seit dem 4. Juni vor

Noch bevor die parlamentarischen Anfragen überhaupt gestellt wurden, hatte die Luxemburger Gilde der Fluglotsen am 4. Juni dieses Jahres eine umfassende Studie vorgelegt, welche die Eignung eines Remote-Tower-Systems für den Flughafen bewertet.

Dabei kam heraus, dass ein virtuelles Kontrollzentrum am Flughafen Findel zu »inakzeptablen betrieblichen Einschränkungen führen, die Sicherheitsmargen beeinträchtigen und die Effizienz verringern« würde.

Remote-Tower-Systeme, die sich noch in einem frühen Entwicklungsstadium befinden, seien möglicherweise für kleine ländliche Flugplätze geeignet, würden aber nicht die betrieblichen, technischen und sicherheitstechnischen Anforderungen eines komplexen Flughafens wie dem Findel mit 100.000 Flugbewegungen pro Jahr, einer 4.000 Meter langen Start- und Landebahn und vielfältigen operativen Anforderungen erfüllen.

Sicherheitsbeschränkungen und betriebliche Inkompatibilitäten

In der Studie wird auf zahlreiche Sicherheitsbeschränkungen, betriebliche Inkompatibilitäten, erhöhte Wartungsanforderungen und unbewiesene wirtschaftliche Vorteile aufmerksam gemacht.

Zur beeinträchtigten Situationserkennung und Reaktionsfähigkeit, die vielfältig ist, heißt es unter anderem: »Virtuelle Kontrolltürme sind auf Kameraaufnahmen angewiesen, wodurch direkte visuelle und akustische Hinweise (zum Beispiel Motorgeräusche, Windänderungen) fehlen und Verzögerungen (von Millisekunden bis zu über einer Sekunde) entstehen. Dies beeinträchtigt die Fähigkeit der Fluglotsen, dynamische Vorgänge zu überwachen und schnell auf Runway Incursions (Vorfälle auf der Start- und Landebahn) oder Notfälle zu reagieren, was das Kollisionsrisiko an stark frequentierten Flughäfen wie ELLX (offizielle Bezeichnung für den Findel) erheblich erhöht.«

Zu den Systemschwachstellen heißt es: »Ausfälle von Kameras, Netzwerken oder Stromversorgungen können zu eingefrorenen oder leeren Bildschirmen führen und den Betrieb ohne Ausweichmöglichkeit zum Erliegen bringen, im Gegensatz zu herkömmlichen Türmen, die eine kontinuierliche Beobachtung ermöglichen. Dies birgt erhebliche Risiken während Verkehrsspitzen oder Notfällen.«

In der Studie aufgezählt werden auch eine ganze Reihe von operativen Inkompatibilitäten.

Hingewiesen wird unter anderem darauf, dass virtuelle Tower aufgrund ihrer begrenzen visuellen Genauigkeit und Verzögerungen Schwierigkeiten haben, verschiedene Flugzeuge (zum Beispiel Flugschüler, allgemeine Luftfahrt, Hubschrauber, große Jets und Militärflugzeuge) zu verwalten. Das berge das Risiko unzureichender Staffelung, Verspätungen und Störungen des Flugbetriebs.

Aufmerksam wird auch darauf gemacht, dass beim Bodenbetrieb Kamerablindflecken und Verzögerungen die präzise Koordination von Start- und Landebahnüberquerungen und das Fahrzeugmanagement auf der Start- und Landebahn oder den Rollwegen behindern könnten.

Fluglotsen: Konventioneller Kontrollturm einzige zuverlässige Lösung

Verwiesen wird schließlich auch auf den erhöhten Wartungsaufwand und darauf, dass virtuelle Kontrollzentren ein 24/7-Betrieb von Kameras, Netzwerken und Stromversorgungssystemen erfordern, dazu natürlich auch spezielle Mannschaften mit Fachkenntnissen in den Bereichen IT, Cybersicherheit, Systemtechnik und Überwachungstechnologien, was den Personalbedarf und die Komplexität des Betriebs im Vergleich zu herkömmlichen Kontrolltürmen erheblich erhöhe. Angesichts des anhaltenden Mangels an spezialisiertem IT-Personal berge dies zusätzliche Risiken von Betriebsstörungen.

Aus all diesen Gründen befürworte die Gilde der Fluglotsen einen virtuellen Kontrollturm nicht. Ein konventioneller Kontrollturm bleibe die einzige zuverlässige Lösung, um Sicherheit, Effizienz und Betriebskontinuität auf dem Findel zu gewährleisten, heißt es abschließend.