Steigbügelhalter Alexis Tsipras
Der griechische Regierungschef hat am Samstagabend mit einer knappen Mehrheit von 153 Stimmen wieder einmal ein Mißtrauensvotum im Parlament überstanden – erwartungsgemäß. Interessant bei der Auszählung der Stimmen war lediglich die Frage, wie viele Abgeordnete der Koalition sich der Fraktionsdisziplin verweigern. Immerhin ein Mandatsträger der rechtsnationalistischen ANEL hatte die Nase voll von der Taktiererei mit dem Ziel des Erhalts von Regierungssesseln; er stimmte mit der Opposition und wurde umgehend aus der Fraktion ausgeschlossen.
Bei der Abstimmung und der vorangegangenen tagelangen Diskussion im Parlament ging es im Kern um die Frage der Anerkennung der Eigenstaatlichkeit der Früheren Jugoslawischen Republik Mazedonien (UNO-Abkürzung FYROM), die Griechenland seit über 25 Jahren verweigert. Eine wichtige Rolle dabei spielen griechische Ansprüche auf das historische Erbe des antiken Mazedonien, das große Teile des heutigen Territoriums Griechenland umfaßt, und des sagenumwobenen Königs Alexander der Große.
Das Problem existierte – zumindest offiziell – nicht, solange die Republik Mazedonien ein Teil der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien war. Seit allerdings in direkter Folge des von der NATO und der EU unterstützten Jugoslawien-Krieges frühere Teilrepubliken staatliche Selbständigkeit erlangten, gehen vor allem Nationalisten in Griechenland auf die Barrikaden zur Verteidigung ihres Anspruchs. Seitdem muß Mazedonien mit dem sperrigen Namen FYROM leben, eine Bedingung für die Anerkennung durch die UNO. Die Aufnahme der FYROM in die NATO und Beitrittsverhandlungen mit der EU wurden jedoch seitdem von den unterschiedlichen Regierungen Griechenlands erfolgreich verhindert.
Der »linke Hoffnungsträger« Tsipras und sein ebenfalls »linker« Gesprächspartner Zaev in Skopje glaubten nun, einen tollen Kompromiß gefunden zu haben, laut dem das Land künftig »Nord-Mazedonien« heißen soll. Das von den Medien als »historischer Durchbruch« gefeierte Abkommen ist jedoch kaum das Papier wert, auf dem es gedruckt wurde. Einerseits ist das Kleingedruckte noch nicht ausgehandelt, und andererseits verstärkt sich der Widerstand auf beiden Seiten der Grenze – und die eigentlichen Abstimmungen in beiden Parlamenten stehen noch aus. Außerdem bleibt die Frage, warum denn nicht schon vor 25 Jahren jemand auf die simple Lösung gekommen ist, einfach ein »Nord« vor den Namen des Landes zu setzen.
In Ermangelung einer besseren Idee stellten die griechischen Konservativen im Parlament ihren Mißtrauensantrag, mit der Begründung, Tsipras sei nicht berechtigt, ein solches Abkommen zu unterzeichnen. In der Debatte waren es allerdings die Kommunisten, die darauf hinwiesen, daß mit dem »Kompromiß« lediglich der Intergration der FYROM in die NATO und die EU der Weg geebnet werden soll. KKE-Generalsekretär Koutsumbas verwies zudem auf die Tatsache, daß NATO und EU das Abkommen bereits begrüßt hatten, bevor die Abgeordneten im griechischen Parlament es überhaupt zu lesen bekamen.
Alexis Tsipras erweist sich somit wieder einmal als Steigbügelhalter für die Erweiterung der NATO und der EU. Der Lösung der Probleme der Lohnabhängigen bringt dieses Abkommen keinen Schritt näher – zumal die Mehrheit der Griechen jetzt über »Makedonia« diskutiert und von den neuen Sparmaßnahmen, die sie erst wenige Tage zuvor hinnehmen mußten, abgelenkt wird.
Uli Brockmeyer