Leitartikel08. Mai 2021

Die Kaufkraft muss gestärkt werden!

von Ali Ruckert

Die Kaufkraft vieler Lohnabhängigen hat während der vergangenen zwölf Monate stark gelitten. Besonders heftig traf es die Schaffenden in der Privatwirtschaft, die kurzarbeiten mussten und daher nur 80 Prozent des Lohnes bekamen, sieht man einmal von den Mindestlohnbeziehern ab.

Inzwischen gibt es deutlich weniger Kurzarbeiter als im Frühjahr 2020, doch wer das Pech hatte, während fünf oder mehr Monaten Kurzarbeit verrichten zu müssen, musste mindestens auf einen Monatslohn verzichten, weil die Regierung – anders als OGBL und KPL das gefordert hatten – sich weigerte, das Kurzarbeitergeld von 80 auf 100 Prozent zu erhöhen und damit dem öffentlichen Dienst anzupassen.

Doch selbst wer seinen vollen Lohn während der Coronapandemie behielt, musste einen Kaufkraftverlust hinnehmen, da die letzte Indextranche am 1. Januar 2020 erfiel, und seither keine weitere Anpassung der Löhne und Renten an die Preisentwicklung erfolgte, und abzusehen ist, dass es vor Jahresende keine Indextranche geben wird. Das hat zur Folge, dass die Kaufkraft langsam aber fortwährend abnimmt, was die Bezieher von kleinen und mittleren Löhnen besonders hart trifft.

Hinzu kommt, dass die Regierung den Index zusätzlich manipulierte, indem sie die CO2-Steuer, die zum 1. Januar 2021 in Kraft trat und im kommenden Jahr ein weiteres Mal erhöht werden soll, zusätzlich bei der Berechung des Index ausklammerte.

Negativ auf die Kaufkraft wirkt sich immer noch aus, dass die Familienbeihilfen 2006 desindexiert wurden, so dass sie heute ein Fünftel weniger an Wert haben als vor 15 Jahren.

Wohl kündigte die Regierung an, sie wolle die Familienzulagen zum 1. Januar 2022 wieder an die Lebenshaltungskosten anpassen, aber diese Maßnahme kommt mit viel Verspätung, denn die Regierung hatte sich bereits am 28. November 2014 in einer schriftlichen Abmachung mit den Gewerkschaften dazu verpflichtet, die Familienzulagen an die Lebenshaltungskosten und die Lohnentwicklung anzupassen. Davon geht inzwischen keine Rede mehr.

Dieser Betrug wird noch größer dadurch, dass keinerlei Entschädigung für die erlittenen Verluste vorgesehen ist. Sogar eine Teilentschädigung in Höhe von 7,7 Prozent, wie sie die »Chambre des Salariés« für die Zeit seit der Vereinbarung vom 28.November 2014 berechnete, will die Regierung nicht ins Auge fassen.

Kein Wunder, dass angesichts des Rückgangs der Kaufkraft die Armut wächst, und immer mehr Menschen die zwei Enden am Monatsende nicht mehr zusammenbekommen.

Daher ist es dringend geboten, dass die Familienzulagen sofort und nicht erst in acht Monaten an den Index angepasst und substantiell erhöht werden, die Kurzarbeit zu 100 Prozent bezahlt und eine Vorschuss-Indextranche von 1,5 Prozent eingeführt wird, um dem Verlust der Kaufkraft entgegen zu wirken, der Mindestlohn auf einen Stundenlohn von 14 Euro angehoben wird und die kleinen Renten strukturell angepasst werden.

Ohne Stärkung der Kaufkraft kann es keinen sozialen Ausweg aus der Krise geben.