Ausland30. November 2021

»Bei Guadalajara im Monat März«

Italienische Antifaschisten schlugen in Spanien Mussolinis Schwarzhemden in die Flucht

von Gerhard Feldbauer

In Spanien errang die Volksfront aus Kommunisten, Sozialisten, Gewerkschaften und Linksrepublikanern bei den Cortes-Wahlen am 16. Februar 1936 einen glänzenden Wahlsieg. Am 17. Juli 1936 putschte General Sanjurjo von der Kolonie Spanisch Marokko aus gegen die rechtmäßig gewählte Regierung der Spanischen Republik. Nachdem Sanjurjo bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war, riß der faschistische General Francisco Franco, der zuvor sich schon bei der grausamen Niederschlagung der Proteste und Streiks der Bergarbeiter Andalusiens 1934 einen Namen gemacht hatte, die Führung der Putschisten an sich.

Der Staatsstreich der klerikalfaschistischen Reaktion brach jedoch auf dem Festland in den meisten Garnisonsstädten am Widerstand der Volkskräfte zusammen. Seine Niederschlagung wurde nur durch die sofortige bewaffnete Intervention der faschistischen Staaten Deutschland und Italien unter Hitler und Mussolini verhindert. Mit 20 Militärtransportern Ju 52 der faschistischen deutschen Luftwaffe wurden als erstes 15.000 Mann Elitetruppen der Putschisten von Marokko nach Cadiz eingeflogen. Nachdem sich Franco am 29. September zum Chef des »Nationalen Spanien« proklamiert hatte, wurde er unmittelbar danach von Deutschland und Italien als »Chef der einzigen legitimen Regierung Spaniens« anerkannt.

Am 24. November schloß Italien mit der Putschistenregierung ein Abkommen über umfangreiche militärische Unterstützung. Franco honorierte das vier Tage später, indem er dem rohstoffarmen Italien ökonomische Ressourcen, darunter aus den Quecksilberminen von Almadén offerierte.

Das italienische Expeditionskorps

Unter dem Oberbefehl von General Mario Roatta ließ Mussolini ein vier Divisionen umfassendes Interventionskorps für die faschistischen Putschisten in Spanien zusammenstellen. Sie bestanden zwar nach außen aus »Freiwilligen«, setzten sich jedoch aus Angehörigen der regulären italienischen Truppen zusammen. Ebenso verhielt es sich bei den deutschen Offizieren und Soldaten der »Legion Condor«, die aus Angehörigen der Luftwaffe der faschistischen deutschen Wehrmacht bestand. Aufgrund der offiziellen Teilnahme regulärer Truppen Italiens und Deutschlands kann der Spanische Krieg 1936-1939 auch nicht als »Bürgerkrieg« eingestuft werden. Vor allem für die deutschen Einheiten war die Teilnahme am Spanischen Krieg eine Generalprobe für den Zweiten Weltkrieg, der wenige Wochen nach der Niederlage der Spanischen Republik durch die deutschen Faschisten mit dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 vom Zaun gebrochen wurde.

Nach offiziellen Angaben zählte das italienische Expeditionskorps zunächst 35.000 Soldaten, stieg in kurzer Zeit auf 60.000 an und erreichte 120.000 bis 150.000 Mann. Die motorisierten Truppen waren modern ausgerüstet und verfügten über 800 Kampfflugzeuge sowie 8.000 Panzer und gepanzerte Fahrzeuge. 90 Kriegs- und Transportschiffe versorgten das eigene Korps und die Franco-Truppen. Sie blockierten republikanische Häfen und verhinderte so die Lieferung von Lebensmitteln, Waffen und Munition für die Republik, und sie beschossen Küstenbefestigungen. Die italienische Luftwaffe griff zusammen mit der »Legion Condor« Hitlerdeutschlands die Stellungen der republikanischen Armee an und bombardierte Städte, darunter die baskische Stadt Guernica. Zeitweise besetzte Italien die Balearen und bedrohte die Mittelmeerstützpunkte Britanniens und Frankreichs.

Freiwillige für die Freiheit Spaniens

Nach dem von Hitler und Mussolini militärisch aktiv unterstützten Putsch entstand für die Volksfront-Regierung eine tödliche Bedrohung. Die Faschisten brachten bis Mitte September das westliche Andalusien, große Teile im Westen, Nordwesten und Norden unter ihre Kontrolle. Südlich von Madrid griffen sie entlang des Flusses Jarama an, wo die »Legion Condor« und italienische Caproni-Jäger sie mit massiven Luftangriffen unterstützte.

In dieser Situation kamen der Spanischen Republik Antifaschisten aus aller Welt zu Hilfe, deren Zahl bis Herbst 1938 auf etwa 40.000 bis 50.000 »Freiwilligen für die Freiheit« aus 54 Ländern anwuchs. Auf einen Aufruf der Kommunistischen Internationale nahmen tausende Kommunisten und andere Antifaschisten den oft sehr beschwerlichen Weg nach Spanien auf sich und bildeten Internationale Brigaden, die an der Seite der regulären Truppen der Spanischen Republik an den Brennpunkten des Kampfes eingesetzt wurden und sich zumeist durch besonderen Heldenmut auszeichneten.

Neben etwa 10.000 Franzosen, 5.000 Deutschen und Österreichern stellte Italien mit 3.354 Kämpfern das zahlenmäßig drittstärkste Kontingent. Gemessen an der Bevölkerungszahl von damals rund 250.000 Einwohnern war Luxemburg mit 102 offiziell registrierten Freiwilligen, die meisten davon waren Kommunisten, ebenfalls besonders stark vertreten. Einer der aus Luxemburg nach Spanien gereisten Kämpfer war der italienische Kommunist und Bergarbeiter Vittorio Cao, der sich in das Bataillon »Giuseppe Garibaldi« einreihte und die Hymne des Bataillons schrieb.

1.119 italienische Interbrigadisten gehörten der Italienischen Kommunistischen Partei (PCI) an, 310 der Sozialistischen Partei (PSI), die übrigen waren größtenteils parteilos. Zu den führenden Persönlichkeiten der Interbrigaden gehörte das Mitglied des Politbüros und späterer Generalsekretär der PCI Luigi Longo, zunächst Politkommissar des Bataillons, später der Brigade »Giuseppe Garibaldi«, eine Einheit der Internationalen Brigaden, die alle Antifaschisten Italiens vereinigte. Luigi Longo übernahm später als Generalinspekteur im Range eines Divisionsgenerals das Kommando über alle Internationalen Brigaden. Unter seinem Kampfnamen »Gallo« wurde er als einer der führenden Militärs der Spanischen Republik bekannt. Nach einer schweren Verwundung kam er 1939 nach Frankreich, wurde in Paris verhaftet, ins Konzentrationslager Vernet eingeliefert, von dort 1941 nach Italien ausgeliefert und eingekerkert. Nach dem Sturz Mussolinis im Juli 1943 übertrug ihm das Nationale Befreiungskomitee in Italien die Funktion des Stellvertretenden Befehlshabers der Partisanenarmee.

»Heute in Spanien, morgen in Italien«

Am 13. November 1936 prägte Carlo Rosselli, einer der Führer der »Giustizia e Libertà«, in »Radio Barcelona« für den Kampf der Antifaschisten seines Landes die prophetische Losung »Heute in Spanien, morgen in Italien«. Zusammen mit seinem Bruder Nello wurde er während eines Einsatzes in Frankreich am 9. Juni 1937 von Agenten des faschistischen Geheimdienstes Mussolinis (SIM) in Bagnoles-de-l’Orne in der Normandie ermordet. Seine Losung wurde zum Schwur, mit dem die italienischen Antifaschisten in den Kampf zogen. Bei der Verteidigung von Madrid im November 1936, bei Guadalajara nördlich der Hauptstadt im März 1937, bei Brunete westlich von Madrid im Juli 1937 trafen die Kämpfer der Brigade »Giuseppe Garibaldi« direkt auf die Mussolini-Truppen.

Den Vorstoß gegen die Republik bei Guadalajara führten im März 1937 die vier italienischen Divisionen General Roattas mit etwa 150 Panzern, 250 Geschützen und fast 4.000 Gefechtsfahrzeugen, unterstützt von einer Division der Franco-Faschisten, mehreren Geschwadern der »Legion Condor« und 60 italienischen Flugzeugen. Zur Teilnahme der italienischen Schwarzhemden an der Offensive der Franco-Truppen hatte Mussolini persönlich den Befehl erteilt. Die Angreifer stießen auf der Straße Saragossa-Madrid vor, um die Hauptstadt vom Nordosten her einzuschließen, sich am Fluß Jarama mit Francos Truppen zu vereinigen, um dann Madrid einzunehmen.

Madrid wurde an diesem Frontabschnitt von einer Division der Armee der Spanischen Republik mit rund 10.000 Mann verteidigt, die nur über knapp 6.000 Gewehre, 85 Maschinengewehre und 15 Geschütze verfügte. Während der vom 8. bis 23. März tobenden Schlacht gelang es den Faschisten, bis etwa 40 Kilometer vorzustoßen und über ein Dutzend Städte im Vorfeld der Hauptstadt zu erobern.

Gemeinsam gegen die Faschisten

Den bedrängten Truppen der Republik kamen die Bataillone »Jaroslaw Dombrowski«, das vorwiegend aus polnischen Freiwilligen bestand, und »Giuseppe Garibaldi« der XII. Internationalen Brigade und danach die aus deutschsprachigen Antifaschisten bestehenden Bataillone »Ernst Thälmann« und »Edgar André« und das französische Bataillon »Commune de Paris« der XI. Internationalen Brigade zu Hilfe. Außerdem erhielten die Verteidiger der Republik mehrere Artillerie-Batterien und Panzer-Abteilungen, bestehend aus sowjetischen Panzern T 26 und BT-5. Am dritten Tag der Schlacht trafen die »Garibaldiner« direkt auf die Mussolini-Faschisten und forderten sie zum Überlaufen auf.

Obwohl die Zahl der Verteidiger auf über 20.000 anwuchs, waren ihnen Roattas Truppen mit 60.000 Mann und 10.000 Franco-Legionären sowie an Panzern und Geschützen weiterhin zahlenmäßig überlegen. Zur Wende, die nach einer Woche schwerer Kämpfe einsetzte, trug der Einsatz von inzwischen eingetroffenen 100 sowjetischen Jagdflugzeugen sowie von zwei Staffeln sowjetischer Bomber bei, die vom Flugplatz in Albacete starteten. Die Einheiten der Republikanischen Armee und die Interbrigaden warfen die Faschisten bis zum 23. März hinter ihre Ausgangsstellungen zurück.

Von den Soldaten des Mussolini-Korps waren etwa 6.000 gefallen. Die Verteidiger der Republik erbeuteten große Mengen an Kriegsmaterial, darunter zahlreiche Artilleriegeschütze, gepanzerte Fahrzeuge und Maschinengewehre.

Mit dem Sieg bei Guadalajara scheiterten die Pläne Francos und seiner Verbündeten aus Berlin und Rom, mit der Einnahme der Hauptstadt einen raschen Sieg zu erringen. Der Sieg über die Faschisten, zu dem die »Garibaldiner« beitrugen, vermittelte in Italien die Gewißheit, daß der Faschismus zu schlagen war und gab dem antifaschistischen Kampf Auftrieb.