Luxemburg20. November 2021

Brexit-Profiteur sondiert Terrain

Finanzminister Gramegna spricht auf »ALFI London Conference«

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Zum ersten Mal seit dem Beginn der COVID-19-Pandemie hat die ALFI (»Association of the Luxembourg Fund Industry«) wieder eine »ALFI London Conference« als Präsensveranstaltung in der britischen Hauptstadt abgehalten. In seiner Ansprache zur Konferenzeröffnung am Vorabend habe Finanzminister Pierre Gramegna den Bankern der City erklärt, London bleibe trotz des Austritts Britanniens aus der EU »einer unserer wichtigsten Finanzpartner«, teilte sein Ministerium am Freitag mit. Luxemburg hat einer Studie zufolge am drittmeisten (nach Dublin und Paris) vom Brexit profitiert, weil für Finanzdienstleistungen wie zum Beispiel Einlagen- und Kreditgeschäfte im Rest der EU nun juristisch selbständige Tochterunternehmen mit Sitz in einem EU-Land nötig sind.

Laut einer im vergangenen Frühjahr veröffentlichten Studie des Think-tanks New Financial hatten bis dann bereits 135 Banken und Finanzdienstleister ihren Sitz von der britischen in die irische Hauptstadt Dublin verlagert, gefolgt von Paris mit 102 und Luxemburg mit 95. Zum deutschen Finanzplatz Frankfurt am Main sind hingegen nur 63 Finanzkonzerne umgezogen, in die niederländische Hauptstadt Amsterdam lediglich 48. Insgesamt verlagerten laut der Studie mehr als 400 Finanzunternehmen – Banken, Versicherungen, Vermögensverwalter und andere Finanzdienstleister – ihre Geschäfte aus London in EU-europäische Städte. Die Autoren der Untersuchung schrieben im April, sie gingen davon aus, daß die eigentliche Zahl noch höher liegt und daß künftig noch mehr britische Finanzdienstleister ihre Aktivitäten verlagern. Verheißungsvoll heißt es in der Studie: »Wir stehen erst am Ende des Brexit-Beginns«.

Folgerichtig, und weil britische Fonds heute 17 Prozent der in Luxemburg aufgelegten Fonds ausmachen, nutze der Finanzminister seinen Ausflug in die City zur Sondierung des Terrains. Gramegna sei in London mit den Chefetagen »mehrerer britischer Finanzinstitutionen« zusammengekommen, die sich »nach dem Brexit in Luxemburg niedergelassen«, oder die zumindest einen Teil ihrer Aktivitäten am hiesigen Finanzplatz ausgebaut hätten. Die Diskussionen hätten sich um ihre »strategischen Prioritäten in der EU, vor allem im Bereich der Digitalisierung der Finanzdienstleistungen und der Finanzierung der Energiewende« gedreht.