Kultur05. November 2021

Rotterdam hat erstes öffentliches Depot

Kunst im Spiegel-Becher

Museen zeigen höchstens zehn Prozent ihrer Sammlung. Das meiste lagert unsichtbar für den Besucher. Doch das Museum Boijmans Van Beuningen zeigt alles – und wie. Das Depot ist ein Gebäude mit Wow-Effekt.

Die niederländische Hafenmetropole Rotterdam hat einen neuen Blickfang: Das Depot des Kunstmuseums Boijmans Van Beuningen ist der neueste Teil der spektakulären Skyline. Das vollverspiegelte runde Gebäude soll auch das weltweit erste Museumsdepot sein, das für Besucher voll zugänglich ist.

Die kostbare Sammlung des Museums Boijmans umfaßt rund 151.000 Werke aus sieben Jahrhunderten. Gemälde, Fotos, Objekte, Keramik, Design, Zeichnungen und Drucke werden in dem Depot gelagert, konserviert und restauriert – vor den Augen der Besucher. »Das Depot ist der Maschinenraum des Museums«, sagte Direktor Sjarel Ex bei der Präsentation des Gebäudes. Besucher können hinter die Kulissen schauen und zugleich einen Eindruck von der Sammlung bekommen.

Die bisherigen Depots waren unzureichend und vor allem nicht mehr sicher für die Sammlung, deren Wert auf mehr als acht Milliarden Euro geschätzt wird. Das Museumsgebäude war mehrmals von Hochwasser getroffen worden. Es wird zwar zurzeit umfassend renoviert, doch angesichts der zunehmenden Hochwassergefahr durch den Klimawandel war die Unterbringung in Kellerräumen keine Option.

Direktor Ex wollte ein öffentlich zugängliches Depot. Normalerweise zeigten Museen nur sechs bis zehn Prozent ihrer Sammlung den Besuchern, sagte er. »Wir wollen die ganze Sammlung teilen mit allen.« Die Kunstwerke sind nicht wie im Museum selbst ausgestellt. Sie hängen an großen verschiebbaren Metallgittern, liegen in Schubladen oder auf Regalen.

Das Gebäude im Museumspark Rotterdam wurde von dem international renommierten Architektenbüro MVRDV entworfen. Architekt Winy Maas wählte die runde Form. »Das Depot soll von allen Seiten offen und einladend sein.« Der Fuß ist unten deutlich kleiner als oben – wie eine Tasse oder ein Eierbecher. Der Architekt ließ sich auch von einer Obstschale aus Chrom aus einem Billig-Möbelhaus inspirieren, wie er zugab. In der Fassade spiegeln sich die Skyline Rotterdams und die Bäume des Parks. »Das Gebäude verschmilzt mit der Umgebung«, sagte Winy Maas. Auch auf der 35 Meter hohen Dachterrasse wurden Bäume gepflanzt.

Zentral im Innenraum sind die breiten Treppen. Sie führen kreuzweise durch das Atrium, sechs Stockwerke hoch. Von den Treppen aus hat man einen Blick auf 13 schwebende Glasvitrinen, in denen Kunstwerke zu sehen sind. Darunter sind ein Gemälde von Carel Fabritius (1622-1654) und eine Büste von Auguste Rodin (1840-1917).

Besucher dürfen aus Sicherheitsgründen nicht selbst in Regalen stöbern oder Schubladen öffnen. Sie werden in Gruppen durch die Räume geführt. Besonders empfindliche Objekte wie Fotos oder Zeichnungen sind auf Anfrage zu sehen.

Die Objekte werden in fünf verschiedenen Klimazonen aufbewahrt, je nach Material und Größe. Im Depot können sie auch restauriert werden, wie derzeit ein Gemälde von Vincent van Gogh.

dpa/ZLV