Leitartikel13. November 2021

Das Gesundheitswesen ist krank

von Ali Ruckert

In der Covid-Krise haben die Probleme, die es hierzulande bereits zuvor im Gesundheitswesen gab, weiter zugenommen. Vor allem aber wurden sie sichtbarer, nachdem während der vergangenen Jahre Krankenhausbetten abgebaut wurden, der Personalmangel größer wurde und die öffentliche Gesundheitsfürsorge zunehmend zu wünschen übrig läßt.

Während der Covid-Krise machte sich insbesondere der Mangel im Bereich der Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger bemerkbar, von denen viele infolge der außergewöhnlichen Umstände an die Grenze ihrer Belastbarkeit stießen. Doch hier handelt es sich um einen chronischen Mangel, der systemimmanent ist und der zu einem völligen Zusammenbruch des Krankenhauswesens geführt hätte, hätte der französische Staat die Grenzen zu Luxemburg auf dem damaligen Höhepunkt der Covid-Krise geschlossen.

Zurückzuführen ist diese desolate Situation darauf, dass kein Wert darauf gelegt wurde, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, um hierzulande genügend Krankenpfleger auszubilden. Wie bequem war es doch, die vorteilhafteren Lohn- und Arbeitsbedingungen ins Schaufenster zu stellen, um Angehörige der verschiedensten Gesundheitsberufe aus dem nahen Frankreich abzuwerben, deren Ausbildung der französische Staat bezahlt hat!

Dass es dennoch quer durch die Krankenhäuser einen krassen Mangel an Beschäftigten gibt, hat mit der Sparpolitik der vergangenen Jahrzehnte zu tun. Der Mangel wurde regelrecht von der Regierung und den Führungskräften im Krankenhauswesen organisiert, indem ein Berechnungssystem ausgearbeitet wurde, das von vorneherein für ein Arbeitsvolumen von 100 Prozent lediglich ein Personalbedarf von 82 Prozent verfügte.

Was bereits in »Normalzeiten« zu Stress und Burnout beim Krankenhauspersonal führte, hat umso krassere Auswirkungen in Corona-Zeiten. Doch hat die Regierung wirklich aus diesem Desaster gelernt?

Teil dieser Sparpolitik ist auch die überzogene Zentralisierungspolitik im Krankenhauswesen, der mehrere Spitäler für Allgemeinmedizin geopfert werden und die dazu führen wird, dass es demnächst im gesamten Süden des Landes, in dem mehr als ein Drittel der Bevölkerung lebt, nur noch ein einziges »Hôpital général« geben soll. Soll etwa so eine bessere medizinische Grundbetreuung der Bevölkerung erreicht werden?

Zu den Folgen der Sparpolitik im Gesundheitswesen gehört aber auch, dass Leistungsverbesserungen für die Versicherten seit langem nur mit dem Tropfenzähler erfolgen, und dass die Regierung mit zwei Füßen auf der Bremse steht, wenn es darum geht, Verbesserungsvorschläge der Gewerkschaften in den Gremien der Krankenkasse abzuwehren.

Notwendig wären gegenwärtig, wie das die KPL fordert, unter anderem eine Aufstockung des Krankenhauspersonals zwischen 10 und 20 Prozent je nach Bereich und Spezialisierung, konkrete Maßnahmen, um den Mangel an Allgemeinmedizinern zu beheben, eine bessere Ausbildung von mehr Personal im Gesundheitsbereich, eine Dezentralisierung von Spitälern für Allgemeinmedizin und deutliche Leistungsverbesserungen für die Versicherten.

Man sollte sich allerdings nicht der Illusion hingeben, dass die Regierenden dies aus eigenem Antrieb in Angriff nehmen werden. Denn in einer Gesellschaft, in welcher der Profit vor dem Menschen geht, wird auch die gesundheitliche Fürsorge der Rentabilität untergeordnet.

Das kann nur geändert werden, wenn sich die Schaffenden und ihre Organisationen gemeinsam und mit Nachdruck dafür einsetzen.