Leitartikel02. Oktober 2021

Von guten und schlechten Monopolen

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Für neoliberale Grüne wie Claude Turmes gibt es offenbar gute und schlechte Monopole. Gut sind nach dieser Sichtweise die privaten US-amerikanischen Großkonzerne Amazon, Apple, Microsoft, Google und Facebook, die das Internet beherrschen. Das sind zwar gefräßige Datenkraken, die alle möglichen Informationen über ihre Nutzer sammeln, ihr Kaufverhalten analysieren und sie zu gläsernen Kunden der Konzerne gemacht haben, doch das hat Neoliberale ja noch nie gestört.

Selbst als die US-amerikanischen Internet- und Technologieriesen seit dem zweiten Trimester des ersten Coronajahres 2020 erhebliche Umsatz- und Gewinnsprünge meldeten, und jedem klar wurde, daß sie die Profiteure der bis heute nicht ausgestandenen Großkrise sind, wollten die Neoliberalen nichts von einer Coronasteuer auf die riesigen Krisengewinne wissen.

Ganz anders verhält es sich beim zwar ebenfalls privaten, jedoch vom russischen Staat kontrollierten Erdgasmulti Gazprom, dem der grüne Energieminister unverhohlen vorwirft, von der derzeitigen »Unsicherheit auf dem Gasmarkt zu profitieren« – so Turmes laut RTL in einem Brief an EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, in dem er eine Untersuchung der EU fordert.

Daß es Turmes & Co. nicht um die »plus/minus 350 Euro« geht, die ein durchschnittlicher Haushalt laut einem von RTL befragten Enovos-Experten pro Jahr mehr für Gas bezahlen muß, zeigt schon seine sture Haltung bei der von ihm und seinen Ministerkollegen zum 1. Januar eingeführten Kohlendioxidsteuer, die ja auch nicht unschuldig an der Preissteigerung für Gasverbraucher ist. Hier hält die Regierung weiter an den geplanten Steuererhöhungen auch für Privathaushalte zum 1. Januar nächsten und übernächsten Jahres fest.

Nein, dem grünen Energieminister geht es bei seinem Rußland-Bashing offensichtlich darum, trotz der auch von ihm beklagten »Unsicherheit auf dem Gasmarkt« die Inbetriebnahme der neuen Pipeline durch die Ostsee möglichst lange hinauszuzögern. Schon als Turmes noch EU-Deputierter in Straßburg war, hatte er die damals noch im Bau befindliche Erdgasleitung Nord Stream 2 »die größte Fehlleistung der EU« genannt.

Doch in Brüssel rennt Turmes mit seinem unermüdlichen Widerstand gegen die von der bald aus dem Amt scheidenden deutschen Regierung unter Angela Merkel gegen Brüssel durchgesetzte Ostseepipeline offene Türen ein. Erst kürzlich hat der EU-Gerichtshof einer Beschwerde der polnischen gegen die deutsche Regierung stattgegeben, nach der Gazprom die an Nord Stream 1 anschließende Pipeline OPAL nicht wie von Berlin gefordert ausnahmsweise in ihrer gesamten Kapazität nutzen kann.

Eine solche Ausnahmeregelung wäre aber nötig, weil Turmes & Co. in die am 1. Januar 2019 in Kraft getretene »Richtlinie über den Erdgasbinnenmarkt« allen Ernstes hineingeschrieben haben, daß ein Lieferant eine Gasleitung nur zu maximal 50 Prozent selbst befüllen darf, und die Restkapazität seinen Konkurrenten überlassen muß. Da Gazprom in Rußland aber konkurrenzlos ist, handelt es sich bei der von Turmes mitausgearbeiteten EU-Richtlinie um nichts anderes als eine »Lex Gazprom«, die auch hiesige Haushalte mit höheren Gaspreisen bezahlen müssen.