Leitartikel24. Juli 2021

Auf dem Weg zu einer optimalen Gesundheitsfürsorge?

von Ali Ruckert

Diese Woche wurde im Gesundheitsministerium eine weitere Zwischenbilanz der vor anderthalb Jahren von der Regierung angestoßenen Diskussion über die Zukunft des Gesundheitssystems gezogen. Am Ende dieses Prozesses, so heißt es, soll ein Nationaler Gesundheitsplan stehen.

»Pläne« gab es im Gesundheitswesen schon viele, die allerdings nicht immer oder nur mit viel Verspätung umgesetzt wurden, angefangen bei der gesetzlichen Grundlage für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz, welche der kommunistische Gesundheitsminister Charles Marx 1946 ausgearbeitet hatte, die aber dann, nachdem die Kommunisten aus der Regierung rausgeschmissen wurden, während Jahrzehnten in einer Schublade verschwanden, bevor Luxemburg 1994 ein Gesetz über Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz bekam.

Jahrzehnte vergingen auch, bevor beschlossen wurde, den »Tiers payant généralisé«, der inzwischen in »paiement direct« umbenannt wurde, einzuführen, Nach langem und heftigem Widerstand der Ärzte- und Zahnärztevereinigung AMMD soll das System des »Tiers payant« nun endlich im Januar 2023 flächendeckend eingeführt werden. Eine vernünftige Erklärung dafür, weshalb das so lange dauert, gibt es nicht.

Schon die Zusammensetzung des »Gesondheetsdësch«, der auf einer sozialpartnerschaftlichen Grundlage funktioniert, lässt Zweifel aufkommen, ob es unter diesen Umständen zu einer Harmonisierung des Gesundheitswesens und einer optimalen Gesundheitsfürsorge für die Schaffenden und Rentner kommen wird. Bisher gelang es starken neoliberalem, profitorientierten Kräften jedenfalls öfter, fortschrittliche Konzepte, die sich an den Interessen der Lohnabhängigen orientieren, hinauszuzögern, beziehungsweise abzuwehren.

Ganz gewiss ist es lobenswert, wenn gesagt wird, eine der Zielsetzungen sei die Ausarbeitung einer globalen Präventionsstrategie, nachdem die Präventivmedizin während Jahrzehnten vernachlässigt wurde. Ob das allerdings in diesem Rahmen geschehen kann, steht auf einem anderen Blatt, da für die Gesundheit der Bevölkerung zu einem beachtlichen Teil Einflüsse der Arbeitswelt, der Wohnbedingungen und der Lebensumstände ausschlaggebend sind.

Und was nutzt es, wenn eine Einigung auf eine Verbesserung der Patientenbetreuung erfolgt, gleichzeitig aber regionale Gesundheitseinrichtung geschlossen werden, die Zahl der Allgemeinmediziner weiter zurückgeht, die Arbeitsmedizin dahindümpelt, Krankenpfleger das wachsende Arbeitsvolumen nicht bewältigen können, und in den Krankenhäusern ein Berechnungssystem weitergeführt wird, das aus Kosten-, beziehungsweise aus Profitgründen Personalmangel produziert. Mit Apps und digitalen Plattformen wird man diese Probleme jedenfalls nicht lösen können.

Die Corona-Pandemie hat die Probleme, die seit langem im Gesundheitswesen bekannt sind und die durch politische und wirtschaftliche Entscheidungen geschaffen, beziehungsweise verstärkt wurden, wie in einem Brennglas deutlich gemacht. Ob sie gelöst werden, und das Grundrecht auf angemessene gesundheitliche Fürsorge verwirklicht wird, hängt weniger von den Vorschlägen des »Gesondheetsdësch« ab als von der Bereitschaft der Schaffenden und ihrer Organisationen, ihre Interessen gegen den Widerstand des Patronats und der Regierung durchzusetzen.