Ausland22. Januar 2022

Erfolgreicher Bildungsstreik in Frankreich

von Valentin Zill

Die Mobilisierung für den Bildungsstreik in Frankreich am 13. Januar war »historisch«, schwärmte die kommunistische Tageszeitung »L’Humanité«. Das Innenministerium sprach anschließend von 77.500 Demonstranten im ganzen Land. Eine deutliche Untertreibung, befand »L’Humanité«, denn: Fast alle Bildungsgewerkschaften hatten zu dem Streik aufgerufen, dazu Schüler- und Studentenvereinigungen sowie betroffene Eltern.

Die Gewerkschaft FSU meldete, 75 Prozent des Grundschulpersonals und 62 Prozent des Personals an weiterführenden Schulen hätten gestreikt. »Die Erschöpfung und Verzweiflung aller im Bildungsbereich hat ein noch nie dagewesenes Ausmaß erreicht«, hieß es im Streikaufruf. Das kaputtgesparte Bildungssystem war schon vor Corona eine Katastrophe.

In Zeiten der Pandemie herrscht pures Chaos. Mies bezahlte Lehrkräfte bekommen nicht einmal Masken gestellt und ertrinken in Verwaltungsaufgaben. Schüler warten teils stundenlang auf die lediglich zwei Coronatests pro Woche. Die Inzidenz liegt aktuell bei über 4.500. »Wir streiken nicht gegen das Virus, sondern gegen die inkohärenten Maßnahmen dagegen«, äußerte sich eine Lehrerin in Paris. Auch die Schülerinnen auf dem abgedruckten Foto fordern finanzielle Mittel, um die Pandemie bekämpfen zu können, sowie Studienplätze für angehende Lehrkräfte. Beliebteste Parole des Tages: »Das Virus heißt Blanquer« – der verantwortet die Bildungspolitik der Regierung von Präsident Macron. Gewerkschaften fordern den Rücktritt des Ministers.

Die Streikenden setzten ein deutliches Zeichen, das die Regierung nicht ignorieren konnte. Noch für den selben Abend lud sie Gewerkschaftsvertreter zu »ernsthaften Verhandlungen«. Ergebnis: Ein paar hundert Lehrer sollen zusätzlich eingestellt werden, dazu 3.300 Hilfskräfte für die Beaufsichtigung von Schülern an weiterführenden Schulen und die Verwaltung. Ein Tropfen auf den heißen Stein. Lange versprochene medizinische Masken sollen »ab dieser Woche« ausgeliefert werden – wenn Schulen sie bestellen. FFP2-Masken sind nur für Vorschullehrer vorgesehen.

»Krümel« seien das, befand die Gewerkschaft CGT Éduc’Action. Zusammen mit anderen Gewerkschaften will sie »den 13. Januar verlängern« und weiter streiken. »Der 13. Januar zeigt gut, daß es das Kräfteverhältnis ist, das die Regierung zwingt, zu verhandeln.« Fabien Roussel, Generalsekretär und Präsidentschaftskandidat des Parti communiste français (PCF), begrüßte den Streik. Klassenzimmer müßten endlich mit Luftfiltern ausgestattet werden, alle Lehrkräfte müßten FFP2-Masken bekommen und die Coronaregeln müßten umsetzbar gestaltet werden. Zudem fordert er 140.000 neue Stellen für Lehrer und Hilfskräfte, beschränkte Klassenstärken und 30 Prozent mehr Lohn für die Beschäftigten des Bildungssystems.