Luxemburg09. September 2021

Rechtsstaatlichkeit mit schlechter Presse:

Populismus verkauft sich besser

von Jean-Marie Jacoby

Wir dürfen uns wundern. Wenn der Minister für Innere Sicherheit erklärt, für die Sicherheit im öffentlichen Raum sei ganz allein die Polizei zuständig, so wird das nur in dieser Zeitung begrüßt. Henri Kox muß sich ziemlich allein auf weiter Flur vorkommen, denn niemand aus der Regierung springt ihm bei, wenn der Hauptstadt-Schöffenrat gegen Recht und Gesetz auf seinem privaten Sicherheitsdienst mit scharfen Hunden besteht. Dabei geben sich die, die da das große Wort führen, allesamt als Juristen aus. Wenn Kox in dem Zusammenhang mitteilt, fünf Ministerien seien dabei, ein Maßnahmenpaket mit »repressiven und präventiven Maßnahmen zur Drogenkriminalität« auszuarbeiten, weil die Polizei allein das Problem nicht geregelt kriege, findet es niemand kritikwürdig, daß vor Mitte Oktober, wenn das im Regierungsrat beschlossen werden soll, niemand etwas davon erfahren darf.

Prohibition beenden!

Niemand ist gewillt, über den Begriff »Drogenkriminalität« und was darunter zu verstehen sei, auch nur zu diskutieren. Wir waren schon mal weiter, als zumindest die Entkriminalisierung von Cannabis angekündigt wurde. Es ist wohl damit wie mit der Steuerreform, die auch verschoben und vergessen ist. Wer das Scheitern der Prohibitionspolitik nicht einzugestehen bereit ist, wird mit welchen Maßnahmen auch immer das Steuer nicht herumreißen können. Sie ist weder zu retten mit mehr Polizei noch mit mehr gutgemeinten Broschüren über die gesundheitlichen Gefahren illegaler Drogen – selbst dann nicht, wenn sie sich jeder Glaubwürdigkeit berauben indem die legalen Drogen außen vor bleiben.

Aber gut, was da die Presse interessiert, ist nur die Frage, ob das Paket der fünf Ministerien bis Mitte Oktober nicht zu spät kommt, weil der hauptstädtische Schöffenrat vor dem Auslaufen des Vertrages mit G4S für die Patrouillengänge mit scharfen Hunden am 1. November eine Bürgerversammlung organisieren will, um zu entscheiden, ob es einen Nachfolgevertrag gibt oder nicht. Diesen dürfte es nämlich nach Recht und Gesetz nicht geben, egal was eine Versammlung populistisch vorgeheizter Bürger herausschreit.

Das Problem inhaltlich zu besprechen ist nicht erwünscht. Da müßte schließlich mit wirklich Betroffenen geredet werden, nicht nur mit Sozialarbeitern aus Projekten, die von der Gemeinde konventioniert sind und die sicher den Geldgeber nicht kritisieren können.

Negativreklame statt Problemlösung

Aber gut, Populismus verkauft sich offenbar besser. Wobei einem Geschäftsinhaber, der sich dazu hinreißen läßt, einem Journalisten in den Block zu diktieren, der einzige Handel, der noch funktioniere im Bahnhofsviertel sei der Drogenhandel, zu sagen ist, daß er damit allen Kunden mitteilt, sie brauchten nicht zu ihm zu kommen, denn sie sollten das Viertel im eigenen Interesse meiden. Wer so agiert, braucht sich nicht zu wundern, wenn die werte Kundschaft ausbleibt.

Geschäftsleute, die es nicht schaffen, ihr Viertel und ihre Geschäfte positiv zu bewerben, haben den falschen Beruf ergriffen. Zudem sollten sich alle anstrengen, ihr Sortiment zu bewerben, statt sich über das Angebot anderer aufzuregen. Wer keine Drogen kaufen will, hat das Problem doch schnell gelöst, indem das Drogenverkaufspersonal nicht in Gespräche verwickelt wird. Nur wer sie frech angeht, riskiert schließlich eine freche Antwort.

Wenn der Drogenverkauf auf offener Straße stört, müßte überlegt werden, wie sich der Verkauf anders organisieren läßt. Es ist schließlich keine Lösung, das Ganze in das nächste Stadtviertel weiterzuschieben, was unweigerlich passiert bei zu massivem Auftreten der Polizei im Bahnhofsviertel. Denn auf die Nachfragesituation hat das schließlich überhaupt keinen Einfluß. Eine andere Organisation des Drogenverkaufs als die heutige auf der Straße ist aber nur zu haben mit einer Entkriminalisierung.

Leider ist zu befürchten, daß das Paket der fünf Ministerien dieses Problem auch nicht angehen wird. Eine für alle verträgliche Lösung, wie die bestehende Nachfrage nach Drogen in dieser Gesellschaft gelöst werden kann, wäre völlig unabhängig von Aufklärungs- und Vorbeugemaßnahmen zu organisieren, die sich nicht auf die fröhliche Mitteilung beschränken kann, illegale Drogen seien halt eben verboten. Es wird schließlich auch nicht erwartet, daß ein Wirt bei der Bestellung von einem großen Bier zu einem Vortrag anhebt, wie schädlich ein zu großer Alkoholkonsum sich auf die Gesundheit, die Familie und den Arbeitsplatz auswirkt. Das obwohl sich da sicherlich viel Richtiges sagen ließe!

Kaufkraft stärken gegen flaue Geschäfte

Unabhängig davon sollten Geschäftsinhaber beim Klagen über flaue Geschäfte nicht die Schuld im Drogenhandel suchen. Viele, ja ganz besonders viele in den unteren Schichten, die zu Hauf das Bahnhofsviertel bevölkern, haben in den letzten Jahren sehr viel Kaufkraft verloren durch Prämienwegfall und Kurzarbeit, wenn sie nicht gar in die Arbeitslosigkeit fielen. Geld, das einem nicht mehr zur Verfügung steht, läßt sich nicht ausgeben – nicht einmal beim freundlichsten Geschäftsmann.

Aber das ist wohl zu viel verlangt, genauso wie die Einsicht in oftmals zu teure Mieten angesichts der gesunkenen Kaufkraft. Es sind eben nicht alle hierzulande Staatsbeamte und im Bahnhofsviertel wohnen ganz besonders wenige Luxemburger.