Leitartikel04. November 2021

»Mit den Gesetzen der Physik nicht vereinbar«

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In seltener Einstimmigkeit hat das Washingtoner Repräsentantenhaus Mitte September für ein neues Gesetz gestimmt, das den Opfern des sogenannten Havanna-Syndroms staatliche Unterstützung zusichert. Gut 200 US-amerikanische Botschafts- und/oder Geheimdienstmitarbeiter wollen inzwischen unter unspezifischen Beschwerden wie Kopfschmerzen oder Übelkeit leiden, die erstmals vor fünf Jahren bei in der kubanischen Hauptstadt stationierten USA-Offiziellen aufgetreten sein sollen.

Als Ursache diskutiert wurde in den USA der Einsatz von Schallkanonen oder Mikrowellensendern gegen USA- und kanadische Offizielle und manchmal auch gegen ihre Familienangehörigen in Havanna, doch später wurde auch von angeblichen Fällen aus den USA-Botschaften in China, Vietnam, Rußland, Indien, Kolumbien und sogar aus Deutschland und Österreich berichtet.

Mittlerweile hat die Kubanische Akademie der Wissenschaften einen Bericht vorgelegt, in dem die unverhohlen gegen das sozialistische Land erhobenen Anschuldigungen als wissenschaftlich unhaltbar bezeichnet werden.

Darin erklärt der Direktor des kubanischen Zentrums für Neurowissenschaften, Dr. Michel Valdés Sosa, es sei möglich, daß sich einige US-Amerikaner während ihrer Stationierung in Havanna aufgrund einer heterogenen Ansammlung von Krankheiten krank fühlten, von denen einige bereits vor ihrer Ankunft in Kuba bestanden (z.B. Ohrentrauma aufgrund eines Militärdienstes), und andere durch allgemeine Ursachen wie altersbedingte Krankheiten usw. verursacht wurden.

Die Behauptung, das menschliche Gehirn lasse sich – aus größerer Entfernung und durch mehrere Hauswände hindurch! – mit einer mysteriösen Energiequelle zielgerichtet beeinflussen oder gar schädigen, weisen die kubanischen Wissenschaftler jedoch als mit den universellen Gesetzen der Physik nicht vereinbar zurück, da dazu sehr leistungsstarke, große und entsprechend schwer zu versteckende Geräte nötig seien.

Keine bekannte Energieform könne unter den für die angeblichen Vorfälle beschriebenen Bedingungen selektiv Hirnschäden mit laserähnlicher Präzision verursachen. Auch US-amerikanische Experten hätten erklärt, daß Schall-, Ultraschall-, Infraschall- oder Hochfrequenz- einschließlich Mikrowellen das Gehirn nicht schädigen können, ohne von anderen gefühlt oder gehört zu werden, ohne elektronische Geräte zu stören (im Fall von Mikrowellen) oder ohne andere Verletzungen wie geplatzte Trommelfelle oder Hautverbrennungen zu verursachen.

Zwar gebe es Waffen, die mit Hilfe von Schall Menschenmengen zerstreuen oder mit Mikrowellen Drohnen außer Gefecht setzen können, aber sie sind sehr groß und es besteht keine Möglichkeit, daß sie unbemerkt bleiben und keinerlei Spuren hinterlassen, wenn sie mitten in Havanna eingesetzt würden, so Dr. Valdés und Kollegen. Außerdem könnten solche Waffen nicht die in den angeblichen Vorfällen beschriebenen selektiven Wirkungen auf Personen haben.

Kurzum: Es ist davon auszugehen, daß die gesundheitlichen Probleme der USA-Offiziellen Folge eines kollektiven psychologischen Effekts, früher Massenhysterie genannt, sind. Auffällig ist auch, daß sie kurz nach dem Wahlsieg Trumps zum ersten Mal aufgetreten sind und prompt zum Anlaß genommen wurden, die unter seinem Vorgänger Obama 2015 erfolgte Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen den USA und Kuba zu torpedieren. Auch Präsident Biden hält die USA-Botschaft in Havanna durch den Abzug ihres konsularischen Personals faktisch funktionsunfähig.