Kultur17. April 2021

Schriftsteller Walter Kaufmann gestorben

dpa/ZLV

Der Schriftsteller Walter Kaufmann, der unter anderem in der DDR und in Australien lebte, ist tot. Er sei am Donnerstag im Alter von 97 Jahren in Berlin gestorben, teilten die Berliner Regisseure Karin Kaper und Dirk Szuszies im Auftrag der Familie mit. Die beiden haben für das Kino einen Dokumentarfilm über Kaufmanns Leben gedreht, den sie derzeit fertigstellen. »Walter Kaufmann – Welch ein Leben!« soll voraussichtlich im Herbst in die deutschen Kinos kommen.

Kaufmann war 1924 als Sohn einer jungen polnischen Jüdin in Berlin zur Welt gekommen. Drei Jahre später adoptierte ihn ein wohlhabendes Ehepaar aus Duisburg. Kaufmann war 15 Jahre alt, als er Nazi-Deutschland mit einem der letzten Kindertransporte nach England verlassen konnte. Seine Familie wurde von den Faschisten ermordet. In England wurde er interniert und nach Australien gebracht, wo er fast zwei weitere Jahre in einem Internierungslager zubringen mußte.

Im Zweiten Weltkrieg diente Kaufmann als Freiwilliger in der australischen Armee und arbeitete nach Kriegsende unter anderem als Straßenfotograf, Obstpflücker, Werftarbeiter und Seemann. Mehr als ein dreiviertel Jahrhundert schrieb er Romane, Erzählungen und Reportagen auf Englisch und Deutsch. Seine ersten, noch in Australien entstandenen, Geschichten waren an US-amerikanische Short-Stories angelehnt. Sein Romandebüt »Stimmen im Sturm«, eine Aufarbeitung seiner Kindheitserinnerungen, lag zuerst in englischer Sprache vor.

1957 übersiedelte er in die DDR, das aus seiner Sicht »bessere Deutschland«. Er behielt aber seinen australischen Paß. Kaufmann war mit der Theater- und DEFA-Schauspielerin Angela Brunner verheiratet, die Schauspielerin Deborah Kaufmann ist ihre gemeinsame Tochter. Auch Kaufmann war in mehreren DEFA-Filmen als Darsteller tätig, teilweise unter dem Pseudonym John Mercator.

Kaufmann gehörte ab 1955 dem Deutschen Schriftstellerverband und ab 1975 dem PEN-Zentrum der DDR an, dessen Generalsekretär er von 1985 bis 1993 war; danach war er Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland. Rund 20 Bücher, Romane, Erzählungen oder Reisereportagen sind bis zum Ende der DDR von ihm erschienen. 1990 stand der in der DDR viel gelesene Schriftsteller anfangs ohne Verlag da.

Bis zuletzt habe er am politischen Weltgeschehen regen Anteil genommen und sei schriftstellerisch tätig gewesen, berichteten die Berliner Regisseure. In den letzten Jahren erschienen unter anderem »Im Fluß der Zeit«, »Meine Sehnsucht ist noch unterwegs« und »Gibt es dich noch, Enrico Spoon?«. Er wurde unter anderem mit dem Heinrich-Mann-Preis, in Australien mit dem Mary Gilmore Award und dem Literaturpreis Ruhr ausgezeichnet.

»Walter Kaufmanns Leben und sein literarisches Werk spiegelten immer die Erinnerungen an das Elend des antisemitischen Hasses und den Schmerz, die Fülle und die Herausforderungen des Exils wider«, sagte gestern der Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner. Er sei bis zuletzt ein beherzter literarischer Beobachter und sensibler Zeitgenosse gewesen, »den das Leben seiner Mitmenschen und die Ungerechtigkeiten der Welt nie kalt gelassen haben und der dennoch immer wieder von der Schönheit dieser Welt bewegt und angetrieben war«.