Ausland22. April 2021

Auslands-Nachrichten

von dpa/ZLV

Militärrat regiert im Tschad

N'Djamena – Nach dem Tod des tschadischen Langzeitherrschers Idriss Déby Itno hat der neue Übergangs-Militärrat seinen Machtanspruch mit einer Regierungscharta untermauert. Die Führung des zentralafrikanischen Landes setze sich ab sofort aus dem Militärrat, einem Nationalen Übergangsrat und einer Übergangsregierung zusammen, heißt es in einem am Mittwoch veröffentlichten Dokument.

Als Präsident des Militärrats übernimmt Débys Sohn Mahamat die Aufgaben des Präsidenten und des Obersten Armeechefs. Mahamat Déby Itno werde eine Übergangsregierung ernennen, die ihm unterstellt sei, hieß es weiter. Der unter anderem in Frankreich ausgebildete Generalmajor hatte zuletzt einen Posten in der Führung der tschadischen Eingreiftruppe in Nordmali inne, die dort gegen islamistische Rebellen kämpft. Zusätzlich soll den Angaben zufolge ein Übergangsrat als politisches Beratungsorgan vom Militärrat berufen werden.

Die für 18 Monate angesetzte Übergangszeit kann laut der Charta einmalig mit einer Zweidrittelmehrheit verlängert werden. Ob im Anschluß demokratische Wahlen geplant sind, blieb unklar.

Von Seiten der Opposition und Zivilbevölkerung wurden am Mittwoch kritische Stimmen laut. Die Aussetzung der Verfassung werde das Land in den Abgrund stürzen, sagte Parliamentarier und Oppositionspolitiker Yorongar Ngarleji. Jacqueline Moudaïna, die Vertreterin eines Verbandes zivilgesellschaftlicher Organisationen, forderte den Sicherheitsrat der UNO in einer Mitteilung auf, die »gefährliche« Übergangsregierung nachdrücklich zu verurteilen.

Bourngar Djimrabaye, ein Justizbeamter in der Hauptstadt N’Djamena, beklagte die »autoritäre Machtübernahme« des Militärs, die die Grundrechte des Landes ignoriere und die Glaubwürdigkeit der Übergangsregierung untergrabe. Es müsse umgehend einen Dialog mit der Opposition und Zivilgesellschaft geben, so Djimrabaye.

Die Rebellenbewegung »Front für Wandel und Eintracht im Tschad« (FACT) kritisierte ebenfalls die Machtübernahme durch Débys Sohn. »Der Tschad ist keine Monarchie«, hieß es in einer Erklärung der 2016 gegründeten politischen und militärischen Rebellenbewegung. Laut der Verfassung des Tschad hätte der Präsident der Nationalversammlung die Führung nach dem Tod des Präsidenten übernehmen sollen.

Déby hatte den Tschad gut 30 Jahre mit eiserner Faust regiert und war erst am Montag zum Sieger der jüngsten Präsidentenwahl erklärt worden. Er kam nach offiziellen Angaben anschließend bei Kämpfen mit der Rebellengruppe an der Front um. Danach übernahm sein Sohn Mahamat die Führung des umgehend erstellten Übergangs-Militärrats. Die Regierung und die Nationalversammlung wurden aufgelöst.

 

Putin warnt Westen vor Überschreiten der »roten Linie«

Moskau – Der russische Präsident Wladimir Putin hat dem Westen Umsturzversuche auf dem Gebiet der früheren Sowjetunion vorgeworfen und vor einem Überschreiten einer »roten Linie« gewarnt. »Organisatoren jedweder Provokationen, die die Kerninteressen unserer Sicherheit bedrohen, werden ihre Taten so bereuen, wie sie lange nichts bereut haben«, sagte Putin am Mittwoch bei seiner Rede an die Nation in Moskau. »Aber ich hoffe, daß niemandem in den Sinn kommt, Rußland gegenüber die sogenannte rote Linie zu überschreiten. Wo sie verläuft, das werden wir in jedem konkreten Fall selbst entscheiden.«

Vor Hunderten Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Religion sagte Putin, daß unlängst in Belarus ein geplantes Attentat auf Präsident Alexander Lukaschenko vereitelt worden sei. Putin kritisierte, daß der Westen bis heute nicht auf diese Vorwürfe eingegangen sei. Der russische Inlandsgeheimdienst FSB und der KGB in Belarus hatten am Wochenende Umsturzpläne öffentlich gemacht und mitgeteilt, daß zwei Verdächtige festgenommen worden seien, darunter ein Mann mit einem USA-Paß. Putin hatte auch USA-Präsident Joe Biden über den Umsturzversuch informiert.

Es könne unterschiedliche Ansichten zur Politik Lukaschenkos geben, sagte Putin, der den belarussischen Präsidenten am heutigen Donnerstag zu Gesprächen in Moskau empfängt. »Aber die Praxis der Organisation von staatlichen Umstürzen, die Pläne für politische Morde, darunter auch an höchsten Funktionären – das geht zu weit. Da sind schon alle Grenzen überschritten«, sagte Putin. Er erinnerte daran, daß in der Ukraine 2014 auch der damalige Präsident Viktor Janukowitsch gestürzt und beinahe getötet worden sei. Janukowitsch floh nach Rußland.

 

Neuer Außenminister in Tschechien

Prag – Mitten in einer schweren diplomatischen Krise mit Rußland hat Tschechien einen neuen Außenminister erhalten. Der Sozialdemokrat 36-jährige bisherige Vize-Innenminister Jakub Kulhánek wurde am Mittwoch in Prag von Präsident Miloš Zeman vereidigt. Er empfahl dem neuen Minister, »die nationalen Interessen zu verteidigen«, warnte aber vor überzogenem Nationalismus. Eine der ersten Amtshandlungen Kulháneks wird es sein, dem russischen Botschafter Alexander Smejewski einen Protest zu überreichen.

Tschechien wirft Moskau vor, für Explosionen in einem Munitionslager mit zwei Todesopfern im Jahr 2014 verantwortlich gewesen zu sein. Rußland weist jegliche Vorwürfe einer Beteiligung zurück. In Folge dessen wiesen beide Länder gegenseitig Diplomaten und Botschaftsmitarbeiter aus – Prag 18 Russen und Moskau 20 Tschechen. Tschechien erwägt wegen der Differenz in der Zahl weitere Schritte.

Bis vor zweieinhalb Wochen hatte der als pro-westlich geltende Tomas Petricek an der Spitze des Außenministeriums in Prag gestanden. Er mußte gehen, nachdem er in einem innerparteilichen Führungskampf unterlegen war. Innenminister Jan Hamáček leitete das Ministerium in der Zwischenzeit interimistisch. In Tschechien findet in weniger als sechs Monaten eine Parlamentswahl statt. Umfragen hatten zuletzt auf eine Niederlage der Regierungskoalition aus populistischer ANO und Sozialdemokraten hingedeutet. Die Regierung befindet sich zudem in einer tiefen Krise, nachdem in der vergangenen Woche die Kommunistische Partei ihr Duldungsabkommen mit den Regierungsparteien aufgekündigt hat. Die KSČM hatte für eine weitere Duldung der Regierung Kürzungen beim Militäretat und konkrete Pläne für die Gründung einer Staatsbank gefordert.

 

Iberoamerika-Gipfel fordert internationales Pandemie-Abkommen

Andorra – Die Staats- und Regierungschefs Lateinamerikas, Spaniens und Portugals haben die Weltgemeinschaft zur Ausarbeitung eines »Internationalen Pandemie-Abkommens« aufgerufen. »Neben dem täglichen Kampf gegen Covid-19 müssen wir auch in die Zukunft blicken«, schrieb der spanische Regierungspräsident Pedro Sánchez am Donnerstag auf Twitter wenige Stunden vor Beginn der Generalversammlung des 27. Iberoamerika-Gipfels in Andorra. »Wir müssen heute die Grundlagen für besser koordinierte und wirksamere Maßnahmen für morgen schaffen«, betonte der sozialistische Politiker.

Eine bessere globale Zusammenarbeit sei »unerläßlich«, sagte auch der portugiesische Regierungschef António Costa. »Es darf nicht sein, daß einige das Recht haben, die Impfung ihrer Bevölkerung sicherzustellen und andere nicht.« Das sei im Interesse aller. »Kein Land kann seine Grenzen für immer geschlossen halten«, warnte Costa.

Die Vertreter von 22 Ländern mit insgesamt 670 Millionen Bürgern wollen im Pyrenäen-Fürstentum unter dem Motto »Ein Gipfel für die Erholung« eine enge Zusammenarbeit bei der Eindämmung der sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise beschließen. Der Wiederaufbau müsse gerecht und nachhaltig sein, so die Organisatoren des Gipfels. Angestrebt würden unter anderem »eine schnellere und flexiblere internationale Finanzierung« der Wiederaufbauprogramme und ein »sozialer Pakt, bei dem niemand zurückbleibt.« Die meisten Delegationen nehmen am Treffen wegen der Corona-Pandemie online teil.

 

Chilenen fordern vorzeitige Rentenauszahlung

Santiago de Chile – Angesichts der wirtschaftlichen Härten in der Corona-Pandemie haben zahlreiche Chilenen eine vorzeitige Auszahlung ihrer Rente gefordert. Nachdem die Regierung ankündigte, die Auszahlung mit einem Einspruch beim Verfassungsgericht stoppen zu wollen, steckten Provokateure in der Nacht auf Mittwoch (Ortszeit) in der Hauptstadt Santiago Barrikaden in Brand und griffen Polizisten an.

Zuvor hatten Menschen im ganzen Land mit einem sogenannten Cacerolazo – dem Klappern mit Töpfen und Pfannen – die dritte vorzeitige Auszahlung seit Beginn der Pandemie unterstützt. Damit könnten die Chilenen bis zu zehn Prozent ihrer Pensionseinlagen vorzeitig abheben, um die wirtschaftlichen Härten durch die Corona-Pandemie abzufedern. Die konservative Regierung lehnt den Plan ab, weil sie angeblich »fürchtet«, daß die Menschen im Rentenalter dann keine oder nur noch sehr geringe Rücklagen haben.

Das 1980 noch während der Militärdiktatur eingeführte System steht schon seit langem in der Kritik. Gerade Geringverdiener erhalten im Alter nur sehr geringe Rentenzahlungen.

 

Minus 55 Prozent

Einigung auf EU-Klimaziel für 2030

Brüssel – Unterhändler der EU-Staaten und des EU-Parlaments haben sich auf eine Verschärfung des Klimaziels für 2030 geeinigt. Bis dahin sollen die Treibhausgase der Europäischen Union um mindestens 55 Prozent unter den Wert von 1990 gesenkt werden. Dies teilten mehrere Vertreter des EU-Parlaments und des Rats der Mitgliedstaaten am frühen Mittwochmorgen in Brüssel mit. Bisher galt ein Ziel von minus 40 Prozent.

Die Unterhändler des EU-Parlaments akzeptierten nach mehr als 15-stündigen Verhandlungen letztlich die Marke, die die EU-Staats- und Regierungschefs Ende 2020 vorgegeben hatten. Dabei wollte das EU-Parlament eigentlich viel mehr: eine Senkung der Klimagase um 60 Prozent sowie eine schärfere Berechnungsmethode. Die Abgeordneten erreichten nur Zugeständnisse in Details.

Hauptstreitpunkt war neben dem Prozentwert vor allem die Frage, ob und inwieweit die Mengen Kohlendioxid eingerechnet werden sollen, die Wälder, Pflanzen und Böden speichern. Abgeordnete bemängeln, daß eine Einbeziehung dieser sogenannten Senken das Einsparziel abschwächt. Statt bei 55 Prozent lägen die tatsächlichen Einsparungen nur bei 52,8 Prozent, monierten unter anderen die Grünen.