Leitartikel18. Januar 2022

Privatisierung schwächt öffentliches Gesundheitswesen

von Ali Ruckert

Das Gesundheitswesen gehört zu jenen gesellschaftlichen Bereichen, in denen die Defizite, die bereits vor der Gesundheitskrise vorhanden waren, gegenwärtig besonders deutlich zu Tage treten. Dazu zählt der Mangel an Personal in den Krankenhäusern, der erst behoben werden kann, wenn, je nach Abteilung, zwischen 10 und 20 Prozent mehr Personal eingestellt wird. Dazu zählt auch der Mangel an Allgemeinmedizinern, der eine flächendeckende Gesundheitsfürsorge immer komplizierter macht.

Schwierig ist die Lage auch in den Laboren, die infolge der Auswirkungen der Covid-Pandemie weitaus stärker in Anspruch genommen werden. Auch da wirken die falschen Entscheidungen, die lange vor der Gesundheitskrise getroffen wurden, deutlich nach.

Die Privatisierung der medizinischen Biologie, die zur Goldgrube für die Besitzer von Privatlaboren wurde, hatte zur Folge, dass die Beschäftigten nicht mehr unter die Bestimmungen des FHL-Kollektivvertrags der Krankenhäuser fallen, was sich negativ auf ihre Arbeitsbedingungen und Löhne auswirkt. Heute müssen sie, wie der OGBL erst kürzlich anprangerte, regelmäßig Überstunden leisten und sind einem infernalen Arbeitsrhythmus ausgesetzt. Aber einen Kollektivvertrag haben sie immer noch nicht, weil dieser Zustand den Besitzern von Privatlaboren Extraprofite garantiert.

Um Privatisierung und Profite geht es auch im Bereich der medizinischen Geräte und Ausrüstungen, die bisher ausschließlich für Krankenhäuser zugelassen waren, zum Beispiel Magnetresonanztomographen. Ein Gesetzesprojekt der Regierung soll es – sofern die Chamber dem zustimmen wird – Ärzten und anderen Fachkräften aus dem Gesundheitsbereich ermöglichen, sich in privatrechtlichen Vereinigungen zusammenzuschließen, um solche medizinischen Geräte anzuschaffen und zu betreiben.

Denn mit medizinischen Geräten ist viel Geld zu verdienen, weshalb die KPL seinerzeit vorgeschlagen hatte, die Krankernkasse sollte die für Privatpraxen zugelassenen Geräte selbst kaufen und sie dann an die Ärzte vermieten. Was natürlich auf wenig Gegenliebe stieß, weil damit der private Profit eingeschränkt würde.

Die nun geplante Privatisierung hätte nicht nur zur Folge, dass Mediziner sich ihre Privattaschen in noch weitaus größerem Maße als bisher füllen könnten, sondern hätte auch – wie das bei allen Privatisierungen der Fall ist – negative Auswirkungen auf die Menschen, die diese Dienstleistungen in Anspruch nehmen.

Da die Privatgesellschaften die Ausrüstungen selbst finanzieren müßten, hätten sie großes Interesse an einer »freien Preisgestaltung«, um rentabel zu arbeiten und möglichst hohe Gewinne zu erzielen, nicht aber an einer Konvention mit der Krankenkasse.

Damit wäre eine Zweiklassemedizin programmiert. Besserverdienende würden sich auf eigene Kosten in Arztpraxen mit entsprechenden Geräten behandeln lassen, was auch negative Auswirkungen auf die Nutzung und die Rentabilität der medizinischen Geräte in den Krankenhäusern haben würde. Es ist ein Versuch, das öffentliche Gesundheitssystem zu schwächen und weiteren Privatisierungstendenzen Vorschub zu leisten.

Umso notwendiger ist es, dass die Organisationen der Lohnabhängigen und die Schaffenden selbst erkennen lassen, dass sie eine Privatisierung des Gesundheitswesens unter keinen Umständen in Kauf nehmen, sondern sie resolut bekämpfen werden. Die öffentliche Gesundheit darf nicht zu einer Ware verkommen.