Luxemburg31. August 2021

Vor 79 Jahren

Der Generalstreik gegen die Nazis

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Am 30. August 1942 hatte der Chef der faschistischen Zivilverwaltung, Gauleiter Simon, auf einer Massenkundgebung in den Hallen auf dem Limpertsberg die sogenannten »Wehrpflichtbestimmungen« für Luxemburg, die Zwangsrekrutierung aller jungen Männer der Jahrgänge 1920-1924, verkündet.

Wenige Stunden danach, am Montag, dem 31. August 1942 gegen 7 Uhr, traten in Wiltz 600 bis 700 Arbeiter und eine Stunde später die Angestellten der großen Lederfabrik »Ideal« in den Streik.

Dann legten auch die Arbeiter der beiden Wiltzer Brauereien, die Angestellten der Gemeindeverwaltung, der Lebensmittelverwaltung, des Arbeitsamtes, der Krankenkasse und der Post die Arbeit nieder, die Lehrerinnen und Lehrer blieben mit den Schulkindern vor den Schulgebäuden stehen, viele Geschäfte blieben geschlossen, und es kam zu einem Protestmarsch durch Wiltz. Während der nachfolgenden Stunden wurden Arbeitsniederlegungen aus der Tuch- und der Tabakfabrik in Ettelbrück, aus Diekirch, Echternach und Mondorf gemeldet, und die Bauern in Kehlen weigerten sich, Milch abzuliefern.

Als am Nachmittag im Schifflinger Hüttenwerk ein Streikkomitee gebildet wurde, und nach dem Aufheulen der Werksirene um 18.02 Uhr 2.000 Arbeiter das Hüttenwerk verließen, wussten die faschistischen Besatzer, dass sie es nicht, wie zu Beginn angenommen, mit lokal begrenzten Protestaktionen zu tun hatten.

Am Morgen des 1. September 1942 griff der Streik auf weitere Betriebe und Verwaltungen über, auf ARBED-Terres Rouges in Esch/Alzette legten 240 Beschäftigte die Arbeit nieder, 57 verließen das Hüttenwerk, auf Belval verweigerten 44 15- bis 18-jährige Lehrlinge der Zentralwerkstatt den Hitlergruß zum Frühsport, ebenso ihre Alterskollegen in den Escher Lyzeen. Auf Grube »Walert« in Rümelingen nahm nur ein Drittel der Belegschaft die Arbeit auf, in Junglinster protestierten 50 Sägerei-Arbeiter gegen die Einführung der Wehrpflicht, und in der Zentralpost in der Hauptstadt blieben die Postsäcke ungeöffnet.

Am 2. September 1942, als der Terror der Nazis bereits voll eingesetzt hatte, die Streikaktionen in den meisten Betrieben infolge der brutalen Repression inzwischen beendet waren, erfasste der Streik das Differdinger Hüttenwerk.

Während des Streiks und der nachfolgenden Tage wurden 85 Männer vor das Standgericht gezerrt, das nachts zusammentrat, 20 von ihnen wurden zum Tode verurteilt und im Morgengrauen erschossen: sieben Arbeiter, fünf Lehrer und Professoren, zwei Postbeamte, zwei Eisenbahner, zwei Gemeindebeamte und zwei Handwerker. 45 Überstellungen wurden an die Gestapo vorgenommen, 125 Männer blieben in Haft, wurden aber nicht vor das Standgericht gestellt, sondern in das SS-Sonderlager Hinzert verschleppt oder im Grundgefängnis und in den Kellerräumen der Villa Pauly, dem Sitz der Gestapo in Luxemburg, festgehalten. Die Lehrlinge von Belval, minderjährige Postbeamte, Schülerinnen und Schüler aus mehreren Lyzeen und Studentinnen der Lehrerinnen-Normalschule in Walferdingen wurden in Umerziehungslager nach Deutschland verschleppt.

Anders als etwa im Elsaß verzichtete die deutsche Besatzungsmacht nach dem Streik darauf, in Luxemburg weitere Jahrgänge für die Wehrmacht einzuziehen.

Trotz der blutigen Repression ging die die Resistenz gegen die Nazis weiter. Während der nachfolgenden Monate setzte eine breite Bewegung ein, um die jungen Luxemburger, die sich der Zwangsrekrutierung durch Flucht entzogen, vor den nazistischen Häschern zu verstecken oder ihre Flucht zu den Maquisards nach Frankreich zu organisieren.

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In Wiltz finden die diesjährigen Gedenkfeiern am 31. August um 11 Uhr nach einem fünfminütigen Sirenensignal auf dem Gelände der ehemaligen Lederfabrik »Ideal« bei der Gedenktafel und um 11.15 Uhr am nationalen Streikdenkmal statt.

Der OGBL Esch lädt zu einer Gedenkfeier um 18 Uhr auf der Place de la Résistance ein.