Leitartikel03. November 2021

Thema verfehlt

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Wer von vornherein davon ausgegangen war, daß beim groß angekündigten Gipfeltreffen der selbsternannten wichtigsten Industriestaaten und deren Lobbyorganisationen wie Weltbank und EU kein greifbares Ergebnis herauskommen würde, der wurde auch nicht enttäuscht. Außer der Tatsache, daß die meisten der G20-Staaten mit ihren höchstrangigen Repräsentanten persönlich vertreten waren, gibt es eigentlich keinen »Erfolg« zu vermelden. Die Präsidenten Rußlands und Chinas hatten sich den Ausflug nach Rom gespart, ihre Anwesenheit hätte nichts bewirkt, weder positiv noch negativ.

Was im Abschlußdokument als »Verhandlungsergebnis« präsentiert wird, ist nicht viel mehr als heiße Luft. Die darin enthaltenen Bekenntnisse ändern absolut nichts an der prekären Situation, in die unsere Welt immer mehr hineinrutscht. Der von einigen Optimisten erwartete positive Schub für die Klimakonferenz der UNO in Glasgow blieb aus.

Die Chefs der G20 haben keinerlei Ideen, wie man mit solchen Problemen wie Klimawandel oder Corona-Pandemie tatsächlich fertig werden könnte. Das ist absolut folgerichtig, denn wirkliche Lösungen stünden im diametralen Widerspruch zu den Funktionsprinzipien der kapitalistischen Gesellschaft. Selbst die möglicherweise fortschrittlichsten Denkansätze stoßen spätestens dann an ihre Grenzen, wenn es darum geht, ob Großkonzerne, Banken oder andere Unternehmen daraus irgendeinen Profit schlagen können.

So bleibt es bei Betroffenheitserklärungen und Lippenbekenntnissen. Während bekannt ist, daß mutige Schritte für die Bekämpfung der Corona-Pandemie dringend notwendig sind, während bekannt ist, daß nur in einigen wenigen »reichen« Ländern – und dazu gehören nicht einmal alle Mitgliedstaaten der EU – eine Impfquote von über 60 Prozent erreicht wurde und gleichzeitig in vielen Regionen der Welt der Anteil der Geimpften unter 3 Prozent liegt, konnten sich die Staatenlenker erneut nicht dazu durchringen, endlich die Patente für die von den »westlichen« Pharmaunternehmen produzierten Vakzine freizugeben.

Obwohl bekannt ist, daß die G20 für mindestens 80 Prozent der umweltschädigenden Gase verantwortlich sind, ließ sich der USA-Präsident dazu hinreißen, Rußland und China als Schuldige zu bezeichnen, weil angeblich von dort keine konstruktiven Vorschläge gekommen seien.

Obwohl es alles andere als ein Geheimnis ist, daß das Militär weltweit für gröbste Schädigungen des Klimas verantwortlich ist, wird zu diesem Thema – erwartungsgemäß – in der Konferenz der Staats- und Regierungschefs, die in der Regel auch die Oberkommandierenden ihrer Streitkräfte sind, kein einziges Wort geäußert. Selbst der Papst, der nicht in jedem Fall mit beiden Beinen im wirklichen Leben steht, hat das Problem verstanden. Am katholischen Feiertag Allerseelen rief das Kirchenoberhaupt erneut nicht »nur« zum Frieden auf, sondern auch zu einer Reduzierung der Rüstungsproduktion, was zwangsläufig zu weniger Kriegshandlungen und Militärmanövern führen würde. »Hört auf, Waffenhersteller«, sagte der greise Franziskus am Dienstag auf dem französischen Militärfriedhof in Rom.

Nachdem der größte Teil des Wanderzirkus von Rom aus nach Glasgow weitergezogen ist, dürfen wir leider auch von dort keine echten Signale für eine bessere Welt erwarten. Von den Verwaltern des Kapitalismus ist keine Lösung zu erhoffen. Es liegt an uns, das System zu ändern, allerdings geht es um einen Wechsel des gesellschaftlichen Systems, nicht nur des Systems der Energieerzeugung.