Leitartikel10. November 2021

Wie halten Sie es mit der Verfassung?

von Ali Ruckert

»Wir werden am parlamentarischen Weg festhalten« erklärte CSV-Präsident Claude Wiseler am Dienstag, nachdem bekannt wurde, dass für ein Referendum über die Verfassungsreform »nur« 18.579 Unterschriften auf der Internetseite der Chamber zusammenkamen. Auch wenn schriftliche Unterschriften nachgereicht werden können, darf man davon ausgehen, dass die erforderlichen 25.000 Unterschriften nicht erreicht werden.

Die Erklärung des CSV-Präsidenten ist eine Irreführung der Öffentlichkeit, denn die CSV und ihre 24 Abgeordneten haben keineswegs vor, unter Berufung auf Artikel 114 der aktuellen Verfassung, auf parlamentarischem Weg ein Referendum zu initiieren. So dass die Abgeordneten aller Parteien die Abstimmung über die vier verschiedenen Verfassungsänderungen unter sich ausmachen werden, während das Volk draußen vor der Tür zusehen darf.

DP, LSAP und Déi Gréng, alle drei Regierungsparteien hatten zuvor ihr Versprechen zurückgenommen, bei Verfassungsänderungen ein Referendum durchzuführen, während die CSV ihre Haltung mehrmals geändert hatte und schließlich zerstritten und opportunistisch auf zwei Hochzeiten tanzen wollte.

Diese Manöver, die deutlich machen, dass die »staatstragenden« Parteien Angst vor einem Entscheid des Volkes haben, haben dazu geführt, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck geweckt und von bestimmten Medien noch zusätzlich geschürt wurde, die ADR, die sich für ein Referendum einsetzt, sei näher am Volk und daher eine Alternative zu den anderen Parteien. Doch dieser Eindruck trügt, denn die ADR ist ebenso wie die vorgenannten Parteien eine Anhängerin der hiesigen Ausbeuterordnung und in gesellschaftlichen Fragen wohl noch fortschrittsfeindlicher, so dass sie selbst minimale Verfassungsänderungen als »radikal« bezeichnet.

Im Gegensatz zu all dem, haben die Kommunisten klare Vorstellungen über einen demokratischen und sozialen Weg zu einer neuen Verfassung, die alle Bürger des Landes betrifft und daher nicht nur eine Angelegenheit für Abgeordnete sein darf.

Ein transparenter und wirklich demokratischer Reformprozess muss die ganze Gesellschaft einbeziehen mit Diskussionsforen und der Möglichkeit, Vorschläge einzubringen, mit denen der Verfassungsentwurf ergänzt, geändert oder verbessert werden kann, bevor darüber in einem Referendum abgestimmt wird.

Im kapitalistischen Luxemburg ist dies ebenso wenig erwünscht wie eine Verfassung, die Luxemburg als souveränes und neutrales Land definiert und mit der verhindert wird, dass auf die Interessen der Banken und Konzerne zugeschnittene EU-Gesetzestexte die Luxemburger Verfassung außer Kraft setzen.

Ein Beispiel dafür, wie die Verfassung missbraucht wird, um die Privilegien des Kapitals zu schützen, ist die Handhabung des Streikrechts. Eine schwammige Formulierung in der Verfassung und eine Einschränkung des Streikrechts durch Gesetze haben dazu geführt, dass das Streikrecht zum Teil nur auf dem Papier besteht.

Im Gegensatz dazu tritt die KPL dafür ein, dass das Streikrecht als vollgültiges Grundrecht in der Verfassung verankert wird, und dass das Recht auf eine menschenwürdige Wohnung, das Recht auf Arbeit und das Recht auf den Erhalt der Biodiversität in die Verfassung aufgenommen werden und vor Gericht eingeklagt werden können.

Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die Mehrheit der Menschen dem zustimmen würde. Ein Grund mehr für die Herrschenden, sie nicht zu befragen.