Luxemburg22. April 2021

Arbeitsqualität auf Talfahrt

Quality of Work-Index der Salariatskammer auf niedrigsten Wert seit 2014 gesunken

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Die subjektiv empfundene Arbeitsqualität der in Luxemburg Schaffenden ist auf einem neuen Tiefpunkt angelangt. Der von der Salariatskammer CSL auf Grundlage einer von Juni bis September 2020 durchgeführten repräsentativen Telefonbefragung unter Einwohnern und Berufspendlern berechnete Quality of Work-Index kam im vergangenen Jahr nur noch auf 53,5 von 100 möglichen Punkten, hieß es am Mittwoch bei der Präsentation der in dieser Form seit 2014 durchgeführten Studie. Das seien 1,9 Punkte weniger als 2019 und sogar 2,2 weniger als der 2017 erreichte bisherige Bestwert. Vor allem junge Schaffende zwischen 16 und 24 Jahren sowie Teilzeitarbeiter hätten über eine Verschlechterung ihrer Arbeitsqualität geklagt, sagte Félix Martins de Brito, der die wichtigsten Ergebnisse der Studie mit CSL-Vizepräsident Jean-Claude Reding präsentierte.

Demnach ging es bei allen Indikatoren, die die Arbeitsqualität positiv beeinflussen, bergab: Die Zufriedenheit am Arbeitsplatz sank im ersten Coronajahr um 1,8 auf 61,3 von 100 möglichen Punkten, die Motivation um 1,4 auf 54,8 Punkte, und das allgemeine Wohlbefinden nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation WHO um 2,8 auf 58,3 Punkte.

Gleichzeitig haben sämtliche negativen Indikatoren zugelegt: Konflikte zwischen Berufs- und Arbeitsleben erhöhten sich demnach um 2,3 auf 39,0 Punkte, die Gefahr, ein Burnout zu erleiden, um 2,3 auf 37,1 Punkte und Probleme mit der physischen Gesundheit um 1,3 auf nun 31,0 Punkte. Das habe dazu geführt, daß nur noch 68 Prozent der Schaffenden sagen, sie fühlten sich am Arbeitsplatz wohl (minus fünf Prozentpunkte), während bereits 21 Prozent bei sich ein leichtes Risiko, eine Depression zu entwickeln sehen (plus zwei Punkte) und elf Prozent sogar ein hohes Depressionsrisiko (plus drei Punkte im Vergleich zu 2019).

Der Schwerpunkt der Studie lag diesmal auf sozialen Ungleichheiten und Armut. Der zur Darstellung von Ungleichverteilungen in einer Gesellschaft entwickelte Gini-Koeffizient befindet sich seit dem Jahr 2018 über dem Durchschnittswert der Eurozone und ist seitdem weiter gestiegen. Das beständig wachsende soziale Gefälle in Luxemburg kann auch anhand des Einkommensquintilverhältnisses aufgezeigt werden: Während die Löhne des Fünftels der Schaffenden, die am wenigsten verdienen, seit 2010 nur um 4,8 Prozent gestiegen sind, konnten sich die fünf Prozent mit den höchsten Löhnen um eine Lohnerhöhung um 9,0 Prozent freuen.

Liefen 2005 13,7 Prozent der Einwohner Gefahr, in Armut abzurutschen, so waren es 2019 bereits 17,5 Prozent. Dazu hieß es, die Sozialleistungen wie das seit Jahren desindexierte Kindergeld seien immer weniger in der Lage, die Armutsgefährdungsrate zu senken. Für Alleinerziehende sei die Situation »besonders schlimm«, sagte Martins de Brito, von ihnen seien 41,3 Prozent von Armut bedroht. Das sei nach Malta und Litauen der dritthöchste Wert der Eurozone. Nicht viel besser geht es zwei Erwachsenen, die sich um drei oder mehr Kinder kümmern müssen. Die Armutsgefährdungsrate liegt hier bei 35,1 Prozent.

Die gerade in den letzten Jahren exorbitant gestiegenen Wohnungspreise haben dazu geführt, daß mittlerweile 35,2 Prozent der Haushalte sagen, sie könnten diese Last nicht mehr stemmen; handelt es sich um arme Haushalte, sagen das sogar 58,6 Prozent. Dazu paßt, daß Mieter ein Drittel (32,0 Prozent) ihres verfügbaren Einkommens an ihren Vermieter weiterreichen müssen. Dieser Anteil ist unter den Ländern der Eurozone nur in Spanien einen Zehntelprozentpunkt höher.

Angesichts dieser Zahlen verwundert es nicht, daß die von den Sozialbüros ausbezahlten Unterstützungen von weniger als drei Millionen Euro 2015 bis 2020 auf mehr als vier Millionen Euro gestiegen sind und die Hilfen zum Kauf von Lebensmitteln sich in fünf Jahren verdoppelt haben. Die mittlerweile zwölf Sozialläden meldeten 2020 elf Prozent mehr Einkäufe und eine Steigerung des Warenwertes um 26 Prozent.