Luxemburg24. Juli 2021

LIST-Studie zu Regen und Überschwemmungen:

Wasser fließt von oben nach unten

von Jean-Marie Jacoby

Halten wir zunächst einmal für die Nachwelt fest: Meteolux hat rechtzeitig vorm Starkregen des 14. und 15. Juli gewarnt. Wie ernst diese Warnung genommen wurde und wie bekannt sie war, steht auf einem anderen Blatt.

Für unterschiedliche Bach- und Flußbecken liegt jetzt eine erste Analyse des LIST (»Luxembourg Institute of Science and Technology«, beheimatet nicht in Großbritannien, sondern 5, Av. des Hauts Fourneaux auf Belval-West in der Gemeinde Esch/Alzette) vor. Zusammenfassend läßt sich vorab feststellen, daß es schon mal mehr Wasser von oben gab an einem Tag, allerdings war das meist im Winter. Wobei das Sommerhalbjahr für Meteorologen von April bis September geht, das Winterhalbjahr von Oktober bis März.

Gehen wir ins Detail. Bei der Wetterstation Beles/Oberkorn gingen am 14. Juli 68,1 l Regen runter. Das LIST errechnet, im Sommer sei das alle 92 Jahre zu erwarten, in Winter alle 43 Jahre, wo 1995 an einem Tag 72,7 l runterkamen. Wird die Summe der Regenmenge innerhalb von 7 Tagen berücksichtigt, kommt diese Wetterstation auf 134,2 l und damit auf ein mehr als hundertjähriges Ereignis im Sommer. Für die Winter 1995 stehen 191,2, für 1994 164,1, für 1977 163,6 und für 2017 150,3 l in der 7-Tages-Statistik, womit das alle 13 Jahre zu erwarten wäre.

Anhang des Bibeschbach bei Livingen weist das LIST nach, daß bereits am 13.7. die Sättigung im Zuflußbecken bei über 50% der Maximal-Kapazität lag, wo sie im Durchschnitt der Jahre 2004-2020 nur bei 20% war. Das hat in Livingen in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli ein sofortiges und gewaltiges Anschwellen des Bibeschbach nach sich gezogen, wie es anderswo nicht festzustellen war: 75% des Regens, der vom 13.7., 3 Uhr bis zum 15.7., 15 Uhr, fiel, landete blitzschnell im Bach.

Die Wiltz in Winseler, die Weierbach oder die Attert in Useldingen hatten zwar auch starke Spitzen, aber dort gingen nur 45% des Regens direkt in die Fließgewässer.

Sieben repräsentative Beispiele

Bei der Weierbach mit einem Zuflußbecken von 0,45 km² wurde die Spitze mit 0,162 m3/s erreicht, was im Sommer alle 55 Jahre zu erwarten sei, übers ganze Jahr aber alle 33 Jahre. Hier wurde das Maximum von 0,188 m3/s aus dem Winterhalbjahr 2011 nicht überschritten.

Im Huewelerbach bei Hovelingen mit einem Zuflußbecken von 2,7 km² überschritt die Spitze von 1,05 m3/s am 15.7. deutlich alle in den letzten 20 Jahren gemessene, weswegen das als über 50jährig zu werten ist. Die nächste Spitze im Sommer war 2014 gerade bei 0,27, die im Winter 2003 bei 0,89 m3/s. 

Die Spitze von 14,2 m3/s beim Bibeschbach mit einem Zuflußbecken von 14,2 km² ist doppelt so hoch wie der bisherige Höchstwert aus dem Winter 2020 mit 7,3 m3/s, während im Sommer 2013 wie 2016 gerade mal 6,6 m3/s erreicht wurden, was damals im Winter nicht übertroffen ward.

Beim Roudbach in Platen mit einem Zuflußbecken von 44,2 km² liegt die Spitze von 10 m3/s zwar hoch, aber nicht im katastrophalen Bereich. Hier wurden im Winter 2003 15 und im Sommer 2002 14 m3/s gemessen, weswegen das diesjährige Ereignis dort im Sommer alle 19, übers Jahr alle 7 Jahre zu erwarten ist, also quasi Normalität.

Anders ist es bei der Eisch in Hagen mit einem Zuflußbecken von 48,8 km², wo die Spitze von 21 m3/s deutlich über allen Messungen der 20 Jahre davor liegt und daher als über 50jähriges Hochwasser gewertet werden muß. Die 10 nächsthöheren Werte liegen zwischen 17 (Winter 2020) und 14 m3/s, wobei der letzte Wert auch einmal im Sommer 2000 erreicht wurde.

Bei Winseler wurde ein Spitzenwert von 26 m3/s in der Wiltz gemessen, die ein Zuflußbecken von 102,5 km² hat. Der nächst höhere Wert im Sommer wurde 2016 bei 14 m3/s erreicht, weshalb das als weit über 50jährig zu bezeichnen ist. Allerdings wurden 2003 im Winter 29 m3/s, gemessen, weshalb fürs ganze Jahr von einem 23jährigen Hochwasser zu reden ist.

Die Attert in Useldingen mit einem Zuflußbecken von 244,7 km² erreichte 73 m3/s wie im Winter 1999, wobei der Winter 2003 72 und der Winter 2011 70 m3/s brachte. Das wäre dann ein 13jähriges Hochwasser, aber für den Sommer wird das ebenfalls zu einem über 50jährigen, da hier der nächsthöhere Wert 2008 bei nur 40 m3/s liegt.

Schlußfolgerung

Es war das wohl ganz eindeutig ein außergewöhnliches Ereignis, auch wenn es deutliche Unterschiede gibt bei stellenweise einem 100jährigen Ereignis, andernorts als 50jährig und darüber zu werdten, aber stellenweise auch deutlich weniger.

Das LIST verspricht in den kommenden Monaten eine Feinanalyse zu liefern mit der Einbeziehung anderer Zuflußbecken als die hier genannten.

Es sollte für niemand eine Überraschung sein, daß das Wasser von oben nach unten fließt und nur in den seltensten Fällen (z.B. bei Stromschnellen) auch mal umgekehrt. Das schienen jedoch einige vergessen zu haben; umso größer war ihre Überraschung.

Je kleiner der Bach, desto größer wurde die Überraschung, wobei diese sehr wesentlich darauf zurückzuführen ist, daß generell bereits eine hohe Sättigung in Wald und Feld mit Wasser vorhanden war und daher von Anfang an sehr viel oberflächlich abfloß. Eine detaillierte Studie sollte sich mit den Unterschieden von Wald, Wiese und Feld und auch mit denen zwischen konventioneller und biologischer Wirtschaftsweise befassen, da sonst vieles Vermutung bleibt.