Leitartikel16. April 2021

Noch lange nicht ausgestrahlt

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Obwohl sie die Gesundheit von Hunderten von Millionen Menschen gefährdet, haben die Regierungen EU-Europas und US-Amerikas – und mit ihnen die angeschlossenen Massenmedien – die Entscheidung der japanischen Regierung, 1,25 Millionen Tonnen radioaktives Wasser aus dem vor zehn Jahren havarierten Atomkraftwerk Fukushima Daiichi einfach ins Meer zu leiten, achselzuckend zur Kenntnis genommen.

In den Monaten nach dem Super-GAU in Japan war das weltweit anders – auch und gerade in Luxemburg, das kein eigenes Atomkraftwerk betreibt, aber bis heute von Schrottreaktoren und Uraltmeilern umgeben ist. Neun Kilometer Luftlinie von der Grenze und 46 Kilometer von der Hauptstadt entfernt befindet sich die französische Atomzentrale Cattenom, in der es seit ihrer Inbetriebnahme im November 1986 mehr als 800 meldepflichtige Vorfälle gegeben haben soll.

Auch in Belgien wurde die endgültige Entscheidung über den Ausstieg aus der Kernenergie und die Schließung der maroden Atomkraftwerke Doel und Tihange im September 2020 auf Ende dieses Jahres verschoben, um 16 Monate nach der Parlamentswahl die Regierungsbildung nicht zu gefährden.

In Luxemburg sind die Atomkraftgegner in den zehn Jahren seit den drei Reaktorkernschmelzen in Japan wieder weniger geworden, nachdem sich nach der Nuklearkatastrophe 31 Organisationen, darunter sämtliche Parteien, deren Jugendverbände und alle Gewerkschaften zum Nationalen Aktionskomitee gegen Atomkraft zusammengeschlossen hatten, dem es in wenigen Monate gelang, 22.860 Unterschriften unter eine Petition zu sammeln, in der die Regierung aufgefordert wird, »alle zur Verfügung stehenden Mittel auf nationaler Ebene, in der Großregion sowie innerhalb der EU einzusetzen«, damit »sämtliche Atomkraftanlagen, die Luxemburg direkt bedrohen, sofort und endgültig gestoppt werden«.

Davon ist heute leider keine Rede mehr, und auch die vom rechten japanischen Premier Yoshihide Suga beabsichtigte wissentliche Kontaminierung des Pazifiks wird kritiklos hingenommen. Der nach der Katastrophe von der japanischen Regierung schleunigst verstaatlichte Betreiberkonzern TEPCO gibt an, die rund 1,25 Milliarden Liter Wasser, die in zehn Jahren eingesetzt wurden, die noch immer eine enorme Hitze abstrahlenden havarierten Reaktoren in Fukushima zu kühlen, seien einem umfangreichen Filterprozeß unterzogen worden, der »international anerkannten atomaren Sicherheitsstandards« genüge.

Doch erstens muß auch TEPCO zugeben, daß es heute noch nicht möglich ist, auch das radioaktive Isotop Tritium aus dem Fukushima-Wasser heraus zu bekommen, und zweitens werden die »international anerkannten atomaren Sicherheitsstandards« ausschließlich von jenen Staaten festgelegt, die selbst Atomenergie betreiben und deshalb kein Interesse an kritischer Forschung haben.

Auf UNO-Ebene gilt das leider auch für den Wissenschaftlichen Ausschuß zur Untersuchung der Auswirkungen atomarer Strahlung UNSCEAR, der behauptet, nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima seien dort keine direkt auf die radioaktive Strahlung zurückzuführende Krankheiten aufgetreten.

Dieser Behauptung widersprechen die Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs unter Verweis auf eine Reihenuntersuchung, wonach bei Kindern und Jugendlichen in der Umgebung des havarierten Atomkraftwerks zwanzigmal mehr Fälle von Schilddrüsenkrebs nachgewiesen wurden als in nicht verstrahlter Umwelt.