Leitartikel15. Juni 2021

Leichtfertige Wochen

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Die Vorrunde der Fußball-Europameisterschaft ist mittlerweile in vollem Gange und hatte mit dem Zusammenbruch des dänischen Spielers Christian Eriksen im Spiel zwischen Dänemark und Finnland bereits einen ersten Aufreger. Am wichtigsten, betonten alle Beteiligten, sei die rasche Genesung des Akteurs. Dennoch wurde das Spiel nach einer längeren Unterbrechung fortgesetzt. »Auf Initiative der beiden Mannschaften«, wie es hieß. Am Ende zeigte sich der dänische Coach Kasper Hjulmand den Tränen nah und dachte laut darüber nach, ob diese Entscheidung richtig gewesen sei. Mit Blick auf den gegen den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund gerichteten Bombenanschlag im Jahre 2017, wo es zunächst auch hieß, es sei Wunsch der Mannschaft gewesen, das Spiel zu bestreiten und wo anschließend herauskam, daß dies wohl doch eher von weiter oben entschieden wurde, bleibt auch in diesem Fall abzuwarten, was da an Informationen nachkommt.

Informationen gab es im deutschen Fernsehen darüber, wie katastrophal die Einhaltung der hygienischen Maßnahmen beim »public viewing« in Sankt Petersburg gewesen sei. Russische Fans strahlen in die Kamera, sie würden sich schon nicht infizieren und ein Arzt kam zu Wort, welcher sich wünschte, die Menschen würden das Spiel lieber vor dem heimischen TV schauen. eine Schlange von Krankenwagen mit Corona-Patienten vor dem lokalen Krankenhaus wurde gezeigt. Demgegenüber wurde nahezu gleichzeitig die tolle Stimmung der italienischen Fans auf den Plätzen von Rom gelobt, und daß in Bukarest die österreichischen Fans und Anhänger der FYROM vor dem Spiel gefeiert hätten. Ein Infektionsrisiko scheint es offenbar lediglich in Rußland zu geben. Wir dürfen gespannt auf die Berichterstattung vom ersten »public viewing« in Deutschland sein.

Daß die Pandemie ganz offensichtlich keine Rolle mehr spielt, wenn es um die Umsetzung der Interessen der UEFA geht, hat sich bereits nach einem Bruchteil des Turniers gezeigt. Die Fachleute warnen bereits, daß dies, gepaart mit weitreichenden Lockerungen bis hin zu einer Abschaffung der Masken- und Abstandsregeln im Herbst zu einem bösen Erwachen führen könne. Auch verstopfte Straßen und Arbeitsplätze zeigen bereits jetzt, daß die Pandemie nicht nur bei der UEFA wohl schon für beendet erklärt wurde.

Zwar läßt das neue EU-Zertifikat (»geimpft, genesen, getestet«) wieder Hoffnung auf Normalität zu, jedoch haben die EU-Staaten ebenso ganz deutlich eine »Notbremse« eingebaut, wenn die Virusmutationen sich weiter ausbreiten. Dann nämlich kann es erneut zu Quarantäne- und Testpflicht kommen, ob geimpft oder nicht. Erneute Einschränkungen der Bewegungsfreiheit also, mit denen derzeit für ein paar heitere Wochen, fette Einnahmen für die UEFA und ihre Freunde sowie Wählerstimmen, wie in Deutschland, leichtfertig gespielt wird.

Hoffen wir, das dicke Ende im Herbst bleibt diesmal aus. Der Preis dafür wäre einfach zu hoch.