Ausland19. Juni 2021

Klassenkampf von unten

Schaffende in Italien beenden pandemiebedingtes Stillhalten. Alitalia-Beschäftigte legten Luftverkehr lahm

von Gerhard Feldbauer

Zum wiederholten Male streikten am Freitag die rund Zehntausend Beschäftigten der italienischen Fluggesellschaft Alitalia ab 14 Uhr für vier Stunden und legten den Flugverkehr lahm. Sie kämpfen um den Erhalt »ihres« Unternehmens, das den Forderungen der EU entsprechend von der Regierung in Rom liquidiert und in eine vor allem der deutschen Lufthansa und Air France bedienende, auf den Inlandsverkehr und auf Zubringerflüge reduziertes drittklassigen Unternehmen degradiert werden soll. Von derzeit noch rund 110 Flugzeugen sollen über die Hälfte von den Rollbahnen verschwinden, fast zwei Drittel der noch 10.000 Beschäftigten sollen auf die Straße gesetzt werden.

Die Regierung beabsichtige, Alitalia »zu zerreißen, um sie an große ausländische Unternehmen zu verkaufen«, schrieb das kommunistische Internetportal »Contropiano«. Das »Opfer« werde gebracht, um EU-Kredite zu erhalten, doch würden ihm viele weitere Opfer folgen. Damit bestätige sich die Regierung von Mario Draghi als »eine der reaktionärsten und herrischsten in der republikanischen Geschichte Italiens«.

Zu dem Ausstand hatten die Verkehrsgewerkschaften CGIL, CISL und UIL sowie die UGL Luftverkehr aufgerufen. Basisgewerkschaften wie USB, Si Cobas, Adl Cobas und Cub riefen zur Unterstützung »alle in unserem Land ansässigen ausländischen Fluggesellschaften und Mitarbeiter, Flughafenmanagement-, Abfertigungs- und Cateringunternehmen sowie alle saison- und prekär Schaffenden der Branche auf« sich an dem Ausstand zu beteiligen, berichtete die Nachrichtenagentur ANSA. Mit den Logistikern, die 24 Stunden die Arbeit niederlegten, beteiligten sich jene Träger, die während der Pandemie immer mehr gearbeitet und die Profite des Patronats in die Höhe getrieben haben. Ein Sektor, in dem die Verwertungskette einerseits die großen multinationalen Konzerne und andererseits die Konzerngenossenschaften erreicht, kommentierte die Linkspartei Potere al Poplo, die den Streik als »einen Tag, der die Wiederaufnahme des Klassenkampfs in unserem Land« charakterisiere.

In der Tat scheinen die Arbeiterkämpfe zu zeigen, daß sich die Arbeiter Italiens ihrer Kraft besinnen und das Stillhalten in der Pandemie beenden. Ausgangspunkt waren die »heißen Pfingsten«, als landesweite Proteste von mehr als 50 Organisationen und Persönlichkeiten der Linken die Auswirkungen der Politik der G20 und der Regierung des früheren EZB-Chefs Draghi während der Coronapandemie auf das Arbeits- und soziale Leben anprangerten. Es folgten die Streiks der Stahlarbeiter der ILVA-Werke von Taranto gegen die Umweltverschmutzung mit Dioxin mit über 400 Toten und zuletzt am Montag dieser Woche der von der USB Private Work Ports Coordination organisierte Streik in allen Häfen Italiens.

Zum nächsten Schlachtfeld der sozialen Auseinandersetzungen werden die Kämpfe um die Fortsetzung der Entlassungssperre werden. Nach den Forderungen der Confindustria will Premier Draghi sie am 30. Juni auslaufen lassen. »Das bedeutet, daß Hunderttausende – manche Schätzungen sprechen von rund 600.000 Arbeitern – auf der Straße landen werden«, schrieb »Contropiano«. Es werde »eine explosionsartige Zunahme der wirtschaftlichen und sozialen Not, die zu den Millionen prekär beschäftigten Schaffenden, die bereits während der Pandemie ihren Arbeitsplatz verloren haben, hinzukommen.« Dagegen haben CGIL, CISL und UIL für den 26. Juni gemeinsam zu drei nationalen Demonstrationen in Turin, Florenz und Bari aufgerufen, um eine Verlängerung mindestens bis zum 31. Oktober durchzusetzen. Hinzukommen müßten eine Reform der sozialen Sicherungsnetze und eine aktive Beschäftigungspolitik. Laut ANSA wird CGIL-Generalsekretär Maurizio Landini in Turin, Luigi Sbarra (CISL) in Florenz und Pierpaolo Bombardieri (UIL) in Bari sprechen.