Aus der Chamber:
Rund ums Budget
Die gestrige im Internet und auf Chamber TV übertragene Parlamentssitzung begann früh um 8 Uhr mit einer dringlichen Frage der CSV zu den sanitären Maßnahmen in Alters- und Pflegeheimen vor den Jahresendfeiern. In einigen ist es verboten, das Haus zu verlassen, es sei denn mit Besuch? Familienministerin Cahen hat mit vielen Direktionsbeauftragten gesprochen, und tatsächlich ist in fast allen Häusern gesagt worden, man solle nicht zur Familie gehen, oder aber danach sieben Tage in Quarantäne gehen, bis ein negativer Test da ist. Das sei ein Seiltanzakt zwischen den Wünschen des Einzelnen und dem Schutz der Hausgemeinschaft, sagte die Ministerin. Die Besuchszeit sei ausgebaut worden, aber auf Anmeldung, um das Zimmer danach desinfizieren zu können. Der Besuch wird gebeten, einen Schnelltest zu machen, Maske zu tragen und Abstand zu halten.
Bühne frei für den Finanzminister!
Er habe im Oktober beim Einbringen des Budgets gesagt, es sei ein außergewöhnliches Budget für außergewöhnliche Zeiten, wiederholte Finanzminister Gramegna. Das sei heute nicht weniger wahr, weswegen Änderungen nötig seien für die Weiterführung der Programme für pandemiebedingt geschlossene Betriebe bzw. solche, die über 25 Prozent Umsatz verlieren. Die Kurzarbeit läuft weiter wie bisher.
Über Corona hinaus gebe es keinen Zweifel an der Dringlichkeit der Klimaproblematik. Das werde »parteiübergreifend« geteilt. Es könne keinerlei Zweifel an der Notwendigkeit der Umsetzung der Kohlendioxidsteuer geben, so Pierre Gramegna.
Im dritten Trimester habe es gute Zahlen in der Wirtschaft gegeben, aber die des vierten seien wieder schlecht und das bleibe wohl auch so im ersten Trimester des nächsten Jahres. Dazu komme der Brexit, was eine schlechte Sache sei »für Europa und das Vereinigte Königreich«. Es seien aber viele Filialen britischer Firmen jetzt nach Luxemburg gekommen. Gramegna hofft auf Äquivalenzregeln für die Zusammenarbeit mit dem Londoner Finanzplatz – leider werde darüber derzeit nicht geredet.
Erfreulich ist die Mitteilung des Statec, der Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liege nur bei dreieinhalb Prozent. 540 Milliarden Euro für drei Programme, Impfstoffbestellungen und gemeinsame Schuldaufnahme seien ein Zeichen »europäischer Solidarität«. Gramegna freut sich über USA-Präsident Biden, der an den Multilateralismus glaube und der zum Pariser Klimaschutzabkommen zurückkehre. Man sehe Licht am Ende des Tunnels, wir müßten jetzt noch durch den Tunnel kommen, von dem aber keiner wisse, wie lang er sei.
Luxemburg werde dabei bleiben, die Wirtschaft im Lockdown zu stützen. Das klingt nach Drohung, weil das in diesem Jahr zu einem Defizit von fünf Milliarden Euro und 2021 von 2,7 Milliarden Euro statt der 2,5 Milliarden beim Einbringen führt. Aber das sei alles kein Problem, weil die Luxemburger Staatsschuld die zweitniedrigste in der EU ist.
Die Fraktionen haben das Wort
Der CSV fehlt das Vertrauen in das Budget, obwohl sie sonst die erklärten Prinzipien für richtig hält. Sie hofft ebenso auf Biden und den Impfstoff. Einige Zahlen fehlten im Budget. Bringt das Abschaffen der »Stock Options« wirklich nur 60 Millionen Euro? Und kostet der Steuerkredit als Ausgleich für die Kohlendioxidsteuer wirklich nur 50 Millionen Euro? Die CSV fühlt sich durch die Aussage der Zentralbank bestätigt, die Zahlen im Budget seien konfus. Sie sind nicht nachvollziehbar, liest Martine Hansen vom Blatt ab, bevor sie wissen will, was beim Cannabisverkauf reinkommt.
Mittels Motion wird gefordert, die Betriebe mit einem Beihilfepaket für den Klimawandel optimal aufzustellen. In einer weiteren Motion wird gefordert, eine Kompensation einzuführen für Leute, die auf ihr Auto zurückgreifen müssen, weil sie kein passendes Angebot im öffentlichen Verkehr haben. Weil das Budget nicht nachhaltig sei, stimmt die CSV es nicht.
DP, LSAP und Gréng tun das aber. Weil die Regierung alles richtig mache, brauche niemand Angst zu haben. Das Defizit sei nicht schlimm wegen der guten Ausgangslage, die Investitionen blieben 2021 hoch sowie mit 2,8 Milliarden Euro höher als das Defizit und alles werde gut. Sogar die CSV sei schließlich gegen Austerität. Wir notieren mit Begeisterung die Mitteilung, daß Luxemburg über 3.107 Spitalsbetten verfügt! In seiner Polemik gegen die CSV schießt LSAP-Fraktionspräsident Engel allerdings den Vogel ab, als er ihr als negativ vorhält, bereits letztes Jahr die Reindexierung des Kindergelds gefordert zu haben. Eltern mögen es sich merken!
Um 1.30 Uhr beginnt die Mittagspause, die bis 15 Uhr geht, um Gramegna die Teilnahme an einer Eurogruppen-Videokonferenz zu geben. Da beginnt dann offiziell die zweite Sitzung des Tages, was den Abgeordneten ein zweites Sitzungsgeld beschert.
Als erster liest Fernand Kartheiser für die adr, der das Budget als wenig zukunftsweisend und umweltschädlich geißelt. Die Ausgangssperre sei unsinnig, die Schließung von Horesca, Sport und Kultur eine wirtschaftliche Katastrophe, Pleiten drohten. Die Bettenbegrenzung der Spitalsreform solle aufgehoben werden. Die Sicherheit des Impfstoffs und die Freiwilligkeit müßten sichergestellt werden. In einer Motion wird gefordert, in Luxemburg dürfe es nur eine Finanztransaktionssteuer geben, wenn es sie in der ganzen OECD gibt. Dann wird ein Rententisch mittels Motion gefordert. In einer weiteren wird gefordert, jährlich nicht nur gegebenenfalls Zinsen auf die Staatsschuld zu zahlen, sondern auch ein Teil der Hauptsache. Dann gibt es eine für mehr Maßnahmen im Wohnungsbau, eine für die sofortige Erhöhung des Kindergeldes und die Nachzahlung des Ausfalls bisher zur Sicherung der Kaufkraft der Familien. Eine weitere Motion fordert die regelmäßige Anpassung der Steuertabelle an die Inflation und einen Bericht über die Entwicklung der Kaufkraft. Kartheiser wettert gegen Photovoltaik und Windstrom, weil das die Wirtschaft Billionen koste. Das ist sonderbar, aber für Genaueres werden wir auf den Internetauftritt der adr verwiesen. Jedenfalls stimmt die adr das Budget nicht.
Die Lénk stimmt es auch nicht, aber aus anderen Gründen. In der »Carte sanitaire« von 2017 stünden 2.108 »lits aigus«, nachdem Georges Engel am Vormittag 3.107 genannt hatte. Egal, Reichtum müsse besteuert werden, und das tue die Regierung mit diesem Budget nicht. Es setzt Motionen für die Schaffung eines Dienstes in der Verwaltung, um die öffentliche Debatte in Steuerfragen zu fördern, eine weitere, die Kohlendioxidsteuer müsse sich auf den Index auswirken – die Regierung will das Gegenteil. In einer weiteren Motion wird eine Erhöhung der Familienzulagen um 7,7 Prozent gefordert, und daß sie künftig wieder an den Index gebunden sind.
Die Piraten freuen sich über das Kommen der elektronischen Steuerkarte und die Subventionierung der Photovoltaik. Doch damit ist sich ausgefreut. In einer Motion wird gefordert, auch einen Steuerabschlag für jene zu schaffen, die zwar kein eigenes Büro zu Hause haben, das für sonst nichts genutzt wird, aber doch Telearbeit geleistet haben. In einer zweiten Motion wird gefordert, alle gültigen Steuerrundschreiben müßten auf der Internetseite der Steuerverwaltung stehen, was heute nicht der Fall ist. In einer dritten Motion wird gefordert, die Gutachten zum Budget sollten auch im Internet auf www.budget.lu stehen und nicht nur auf www.chd.lu. Die Piraten stimmen das Budget nicht mit, erfahren wir, bevor die großen Fraktionen ihre restliche Redezeit in Anspruch nehmen.
jmj