Leitartikel19. Januar 2022

Katar ist dieses Jahr

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Das Jahr 2022 ist nun schon mehr als einen halben Monat alt und wird uns sicherlich noch einige Zeit mit der Pandemie beschäftigen. Doch auch andere Ereignisse deuten sich langsam an. Dazu gehört unter anderem die Fußball-Weltmeisterschaft (»FIFA-World Cup«), welche vom 21. November bis zum 18. Dezember in der Golf-Monarchie Katar stattfinden wird. In diesem Jahr ist es dann nun also soweit.

Aufgrund der Sommerhitze, die es bekanntlich in einem Wüstenstaat gibt, wurde nach der Vergabe entschieden, erstmals eine WM in den Wintermonaten abzuhalten. Dies soll die klimatischen Bedingungen entschärfen, obschon die eigens neu errichteten oder ausgebauten Arenen noch immer künstlich abgekühlt werden müssen. Ein Hohn mit Blick auf hiesige CO2-Steuern. Doch nicht nur das: Bereits früh wurden Stimmen laut, daß es auf den Baustellen nicht mit rechten Dingen zugehen könnte.

Die Arbeiter, welche dort beschäftigt sind, kommen zumeist aus fremden Ländern und sehr armen Verhältnissen. Sie schuften tagtäglich für einen Monatslohn von umgerechnet etwa 300 Euro. Im Vergleich zu dem, was die FIFA an Profiten einstreichen wird, schon skandalös. Dazu kommt, daß es Unregelmäßigkeiten bei den Zahlungen, zahlreiche tödliche Arbeitsunfälle und sklavenähnliche Arbeitsverhältnisse unter Abnahme der Reisepässe geben soll. Britische Gewerkschaften berichteten als erste bereits wenige Jahre nach der Vergabe über die Zustände. Später auch Amnesty.

Insgesamt sollen diesem und anderen Berichten zufolge rund 15.000 Arbeiter für die FIFA-WM ihr Leben gelassen haben. Die Regierung von Katar weist alle Vorwürfe von sich und erklärt, man habe mittlerweile Reformen in die Wege geleitet. Neben Klubs wie dem FC Bayern München, der regelmäßig mit dem umstrittenen Königreich kokettiert und seine Wintertrainingslager dort verbringt, was die Anhänger zunehmend auf die bayrische Palme bringt, hat der Veranstalter aber auch einen noch prominenteren Fürsprecher: FIFA-Präsident Gianni Infantino selbst.

Dieser spricht von einem »Projekt von herausragender Bedeutung für den Fußball« und man fragt sich, ob das Oberhaupt des in der Schweiz als »gemeinnütziger Verein« geführten und immer wieder von Korruptionsskandalen geschüttelten Weltverbandes überhaupt noch weiß, was Fußball überhaupt ist. Mehr als ein Geschäft für seine Kreise offenbar nicht.

Dazu paßt, daß Infantino rezent seinen Wohnsitz praktischerweise gleich gänzlich von der Schweiz an den Golf verlegte, was bis kurz vor den Umzug noch von ihm selbst und auch seinem Verband dementiert wurde. Das ist offenbar sogar dem ebenfalls umstrittenen Ex-FIFA-Boß Sepp Blatter zu viel. Auch er kritisierte öffentlich die »schlechte Entwicklung«, wie er auf Twitter mitteilte.

Wenn Europa also im kommenden November seine Fußballklubs bereits im November für zwei Monate in den Winterschlaf schickt und so vielleicht von Geisterspielen in der x-ten Corona-Welle verschont bleibt, rollen am Golf Ball und Rubel, auch wenn die Proteste mit näherkommendem Eröffnungsspiel lauter werden, dürften tote Arbeiter und korrupte Funktionäre spätestens beim ersten Anstoß kaum noch jemanden interessieren.