Ausland

Griechenland als Drohkulisse

An den Griechen wird vorexerziert, was allen anderen in der EU auch aufdiktiert werden soll

 »Die EU nimmt Griechenland an die kurze Leine« , wußte das deutsche Staatsfernsehen ARD Anfang Februar aus Brüssel zu berichten. Sie gehe »so hart gegen einen verschuldeten Mitgliedstaat vor wie nie zuvor« . Einem »eisernen Regime« müsse sich Athen unterwerfen, hieß es bei »Spiegel-Online« .

Tatsächlich war es die seit Oktober 2009 in Griechenland installierte sozialdemokratische PASOK-Regierung selbst, die Mitte Januar der Brüsseler EU-Kommission einen rigorosen »Sanierungsplan« zur Reduzierung des griechischen Haushaltsdefizits vorgelegt hat – unter Bruch aller Wahlversprechen. Brüssel nahm diesen Plan am 3. Februar wohlwollend zur Kenntnis, beschloß aber gleichzeitig scharfe Kontrollmaßnahmen über dessen Verwirklichung.

Demnach soll das griechische Haushaltsdefizit, das 2009 auf 12,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) angewachsen war, innerhalb von nur drei Jahren auf die nach dem EU- »Stabilitätspakt« zulässige Obergrenze von 3 % reduziert werden. Im laufenden Jahr 2010 bereits um 4 Prozentpunkte auf 8,7 %, 2011 auf 5,6 % und 2012 auf 2,8 %. Um sicherzustellen, daß die griechische Regierung diese »Selbstverpflichtung« auch tatsächlich einhält, verlangt die EU-Kommission regelmäßige »Fortschrittsberichte« über die Umsetzung, den ersten bereits Mitte März, den zweiten Mitte Mai und dann laufend vierteljährlich.

Gleichzeitig wurde gegen Griechenland ein »Vertragsverletzungsverfahren« eingeleitet, das mit zusätzlichen Strafmaßnahmen enden könnte, wenn sich Athen nicht ausreichend »kooperationswillig« zeigen sollte. Da die rechtskonservative Vorgängerregierung in den letzten Jahren »geschönte« Wirtschaftsdaten nach Brüssel übermittelt hatte, wurde die Statistik-Behörde »Eurostat« ermächtigt, die griechischen Angaben durch eigene Kontrolleure vor Ort zu überprüfen.

Das PASOK-Sparprogramm selbst ist ein Horrorkatalog. Bereits 2010 sollen nicht nur die Verbrauchssteuern auf Tabak und Alkohol sowie die Benzin- und Treibstoffsteuer erhöht und weitere »Steuerbefreiungen« abgeschafft, sondern auch eine generelle Kürzung der Etats aller Ministerien um 10 % vorgenommen werden. Vor allem ist eine generelle Senkung der Lohn- und Gehaltskosten per Einfrieren der Gehälter und Kürzung von Zulagen sowie ein rigoroser Stellenabbau im öffentlichen Dienst vorgesehen. Für je fünf aus dem öffentlichen Dienst ausscheidende Beschäftigte soll nur noch eine Neueinstellung vorgenommen werden.

Zusätzlich drängt die EU auf die Beschleunigung vorgesehener »Strukturmaßnahmen« wie »Rentenreform« und »Gesundheitsreform« , insbesondere die rasche Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre. Aber auch eine »Verbesserung der Funktionsweise des Arbeitsmarktes« und die »Verbesserung der Rahmenbedingungen für Unternehmen« werden angemahnt. Im Klartext : mehr »Flexibilisierung« von Arbeitszeiten und Kündigungsschutz, weitere Privatisierung, weiterer Druck auf die Löhne, wachsende Arbeitslosigkeit und noch mehr Niedriglohnbeschäftigung.

Sinn und Zweck der EU

Damit tritt am Beispiel Griechenland einmal mehr der Sinn und Zweck der EU zutage : Sie dient als Knüppel zur beschleunigten Abwälzung der Folgen der kapitalistischen Wirtschafts- und Finanzkrise auf die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung und zugleich den regierenden Sozialdemokraten in Griechenland als willkommene Ausrede für den beflissenen Vollzug dieser sozialen Grausamkeiten.

Das scharfe Vorgehen gegen Griechenland richtet sich aber nicht allein gegen die griechische Bevölkerung. Es soll vor allem als Drohkulisse dienen, um auch in allen andren EU-Staaten die Bereitschaft zur Einhaltung und Durchsetzung der im »Stabilitätspakt« festgelegten »Haushaltsdisziplin« zu »fördern« . Deshalb auch der Medienlärm über den angeblich drohenden griechischen Staatsbankrott und die »Gefahr für den Euro« .

Im Zug der Finanz- und Wirtschaftskrise haben drei Viertel aller EU-Staaten im vergangenen Jahr höhere Schulden gemacht, als es der EU-Stabilitätspakt erlaubt. Griechenland ist da keineswegs ein »einsamer Sünder« . Gleich nach Griechenland mit 12,7 % kommen Irland mit 12,5 %, Großbritannien mit 12,1 % und Spanien mit 11,1 % Defizit. Insgesamt hat die EU-Kommission Defizitverfahren gegen 20 von 27 EU-Staaten eingeleitet.

Doch bereits im Oktober letzten Jahres hat der Rat der Staats- und Regierungschefs beschlossen, daß die zur Bewältigung der Krise von den Mitgliedstaaten eingeführten »Konjunkturfördermaßnahmen« ab 2010 zurückgefahren und die »Stabilitätskriterien« spätestens ab 2012, für einige Staaten erst ab 2013 wieder eingehalten werden müssen. Dies alles zur Sicherung der »Geldwertstabilität« des Euro, an der in erster Linie die in der EU ansässigen großen Finanzkonzerne und transnationalen Unternehmen interessiert sind.

Allerdings regen sich auch in kapitalistischen Führungskreisen leise Zweifel, ob die sich daraus ergebenden Sparpläne tatsächlich so durchsetzbar sein werden. So hieß es in »Spiegel-Online« am 29. Januar, die Skepsis sei groß, ob Papandreou seine Ziele erreicht. »Die Frage ist ja immer, ob man seinen Wählern so etwas verkaufen kann« , habe der US-amerikanische Havard-Wirtschaftsprofessor Rogoff in Davos gesagt. Beim dort abgehaltenen »Weltwirtschaftsforum« hätten sich Politiker, Manager und Wissenschaftler »nur zu gut an die gewalttätigen Demonstrationen wütender Jugendlicher in Athen in den vergangenen Jahren« erinnert.

Inzwischen haben die stärksten griechischen Gewerkschaftsbünde, darunter die kommunistisch geführte PAME, aber auch der »Allgemeine Griechische Gewerkschaftsbund« (GSEE) und Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes ADEDY zu landesweiten Streiks aufgerufen. Angesichts der Absichten der führenden EU-Politiker, in Griechenland das Modell für die EU-weite verschärfte Abwälzung der Krisenlasten auf die Bevölkerung durchzusetzen, ist Solidarität mit den Aktionen der griechischen Arbeiter und Angestellten ein aktuelles Gebot. Ebenso eine stärkere EU-weite Vernetzung von Kampfaktionen gegen diesen EU-Kurs.

Georg Polikeit