Luxemburg23. Juli 2021

An ihren Taten sollt ihr sie messen:

Adapto-Sparwut ohne Ende

von Jean-Marie Jacoby

In der Chamber vertretene Sektionen der bürgerlichen prokapitalistischen Einheitspartei sind längst nicht mehr nach ihren Sonntagsreden und Wahlprogrammen zu beurteilen. Schließlich hat niemand vor der letzten Wahl erklärt, die Rüstungsausgaben vervielfachen zu wollen. Über 0,6 Prozent des Bruttoinlandprodukts wollte niemand gehen, aber inzwischen halten wir bereits bei 0,72  Prozent für 2020 und 2021 wird über 0,8 Prozent kommen. Zumindest die drei der Regierungs-Koalition haben erklärt, weiter Richtung der seit »Friedensnobelpreisträger« Obama in der NATO geforderten 2 Prozent zu gehen.

Beim öffentlichen Personennahverkehr wurde vor den letzten Wahlen von den meisten der Nulltarif gefordert, meist unter der falschen Bezeichnung »gratis öffentlicher Transport«. Gratis gibt es den natürlich nicht, er kann zu 100 Prozent übers Budget finanziert werden oder wie davor zu 94,6 Prozent. Nicht in den Wahlprogrammen stand, der Nulltarif werde Gehbehinderten und im Rollstuhl Sitzenden den Adapto-Transport kosten.

Aus Inklusion wird Ausschluß

Doch so läuft es seit 15. März und es gibt nach wie vor wenig Positives zu berichten trotz aller möglicher zusätzlichen Besuche beim Kontrollarzt. Wie schon früher, wo niemand so kühn war auszurechnen, was die Ausgabe von Fahr- und Freifahrscheinen kostete, hat unter Garantie niemand ausgerechnet, was die Kosten sind für die Adapto-Abteilung im Mobilitätsministerium, wo eine »Gestionnaire dirigeant« als »Adjointe au chargé de direction« nach Gutsherrenart herrscht und nicht wenige Ausgaben produziert mit Aufträgen, beim Kontrollarzt vorstellig zu werden.

Da kann es durchaus passieren, wie uns aus Gewerkschaftskreisen berichtet wird, daß Menschen, die einen Sportwagen besitzen, die Adapto-Karte bekommen, andere, die keinerlei Fahrzeug ihr eigen nennen, dennoch keine.

Die gute Frau, wie Minister Bausch auch, sollte sich mal zu Gemüte führen, daß die meisten Betroffenen nicht von Geburt an gehbehindert sind oder im Rollstuhl sitzen. Sicher, die gibt es auch, aber am Ende ist es dieselbe Lage für diejenigen, die durch einen Unfall da hineinversetzt werden. Es kann also mit dem entsprechenden Pech alle treffen, und das sogar ohne selbst leichtsinnig gewesen zu sein.

So manch einer hat in der Zwischenzeit unter Vorlage zusätzlicher ärztlicher Gutachten einen neuen Antrag gestellt – mit demselben abschlägigen Ergebnis. Es hat nicht einmal eine ausdrückliche Befürwortung durch die Adem etwas gebracht. Inklusion sieht anders aus!

Richtig sonderbar wird es, wenn wir erfahren, das Arbeitsamt habe daraufhin in gewissen Fällen angeboten, die Finanzierung des Transports von zu Hause bis zum Arbeitsplatz und zurück zu übernehmen.

Die Abteilung »Behinderte Arbeitnehmer« des OGB-L hat sich bemüht Kostenvoranschläge einzuholen, wobei die meisten Busbetrieben sagten, sie könnten das nicht übernehmen zu diesen Zeiten, weil sie da keine Fahrer frei haben. Immerhin haben doch zwei Betriebe einen Preis pro Fahrt genannt. Damit war die Adem nicht zufrieden, sie wollte ein Angebot fürs ganze Jahr haben. Das waren die Busbetriebe nicht bereit zu legen mit dem Argument, so lange könnten sie sich nicht beim Preis festlegen wegen der Volatilität der Kosten beim Sprit und bei den Löhnen (kommt eine Index-Tranche innerhalb Jahresfrist oder nicht). Das war die Adem nicht bereit zu akzeptieren, womit auch hier das Ende der bürokratischen Fahnenstange erreicht war.

Einigen der Betroffenen graut jetzt schon vorm Winter, wo es für sie noch einmal schwieriger wird mit den Behelfsmaßnahmen, die sie jetzt gefunden haben, um über die Runden zu kommen und ihren Arbeitsplatz nicht zu verlieren.

Rachefeldzug?

In einem Fall, der uns jetzt zugetragen wurde, hat auf die erste negative Mitteilung zur Weiterbenutzung des Adapto ab 15. März jemand den Verzweiflungsschritt getan und den Antrag gestellt, in die Fahrschule zu dürfen, um einen B-Führerschein zu erwerben. Der Antrag wurde damals im Februar genehmigt, der »certificat d‘apprentissentage du permis de conduire de la catégorie B« ausgestellt.

Weil der Betroffene aber weiterhin nicht aufhörte, Eingaben zu machen und Gutachten einzureichen, um den Ausschlußbeschluß vom Adapto abgeändert zu erhalten, muß die dafür zuständige »Gestionnaire de direction« das Dossier ein paar Schreibtische weitergereicht haben, um dem Querulanten mal eins auszuwischen.

Prompt langte Anfang Juli ein mit Ende Juni datiertes Einschreiben beim Betroffenen ein, der ihn noch betroffener machte. Denn da stand, da er an »infirmités ou troubles susceptibles d‘entraver ses aptitudes ou capacités de conduire« leide, werde verordnet, ihm seinen Führerschein der Kategorie AM ebenso zu entziehen wie seine Berechtigung, die Fahrschule zu besuchen im Hinblick auf den Führerschein B.

Nun ist der gute Mann tatsächlich seit seinem schweren Motorradunfall vor Jahren nicht mehr in der Lage, Motorrad zu fahren und hat das auch nie wieder versucht. Im Sitzen hat er aber keine Gleichgewichtsprobleme, die ihm im Bus aber in Gefahr bringen, wenn der Fahrer zu früh anfährt, bevor er sitzt, oder wenn er keinen Sitzplatz ergattert.

Das Schlimmste am Schrieb aber ist die Behauptung, er sei Ende Mai vor der medizinischen Kommission gehört worden, denn da war er nie. Richtig arg ist, daß die Polizei letzten Sonntag um 8 Uhr früh an der Haustür Sturm läutete, um die Papiere zu kassieren. Sind wir schon in einem Polizeistaat?