Ausland21. April 2021

Suche nach der Wahrheit

Die 25. OPCW-Staatenkonferenz könnte Vorwürfe gegen Syrien aufklären – falls der politische Wille da ist

von Karin Leukefeld

Am Dienstag begann in Den Haag der zweite Teil der 25. OPCW-Staatenkonferenz. Wegen COVID 19-Maßnahmen wurde die Versammlung in zwei Teile geteilt. Der erste Teil der Konferenz fand bereits im November 2020 statt, der zweite Teil war für den Zeitraum vom 20. zum 22. April angesetzt.

Die Konferenz der 193 Mitgliedstaaten ist die höchste Versammlung der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (Organisation for the Prohibition of Chemical Weapons, OPCW). Sie findet jährlich statt. Journalisten können die öffentlichen Debatten per Internet verfolgen.

Neben zahlreichen Formalia, der Wahl von neuen Mitgliedern in den Exekutivrat sowie dem Finanzbericht wird erneut Syrien prominent auf der Agenda stehen. Syrien ist der OPCW 2013 beigetreten und hat die Chemiewaffenkonvention (Chemical Weapons Convention) unterzeichnet. Allerdings wird Syrien immer wieder von westlichen Staaten vorgeworfen, es produziere weiterhin Chemiewaffen und habe chemische Waffen auch eingesetzt. Syrien hat die Anschuldigungen zurückgewiesen.

Vor allem die Vertreter Deutschlands und Frankreichs wollen zusammen mit Delegationen anderer Staaten erreichen, daß Syrien für den angeblichen Einsatz von chemischen Waffen »zur Rechenschaft gezogen und bestraft« wird.

Seit zwei Jahren rumort es in der OPCW. Damals, im März 2019 wurde der offizielle Abschlußbericht zu einem angeblichen Chemiewaffenangriff auf Douma veröffentlicht, in dem die syrische Armee »mit hoher Wahrscheinlichkeit« dafür verantwortlich gemacht worden war. Inspektoren, die an der Untersuchung teilgenommen hatten äußerten intern Zweifel und Fragen zu dem Bericht. Sie waren zu einem anderen Ergebnis gekommen, wurden aber von der Erarbeitung des Berichts ausgeschlossen.

Mittlerweile haben sich zahlreiche ehemalige UNO-Diplomaten, OPCW- und Waffen-Inspektoren den Skeptikern angeschlossen. Wiederholt haben sie den amtierenden OPCW-Generaldirektor Fernando Arias González aufgefordert, den Inspektoren Raum für eine Anhörung zu gewähren, damit alle 193 Mitgliedstaaten sich ein Bild von deren Widerspruch zum offiziellen Douma-Bericht machen können. Bisher hat Arias auf die Aufforderung nicht reagiert.

Zwei international bekannte ehemalige UNO-Diplomaten – Hans von Sponeck und Professor Richard Falk – haben sich nun, vor der 25. OPCW-Staatenkonferenz erneut mit einem Vermittlungsvorschlag an die OPCW-Mitgliedstaaten und den Wissenschaftlichen Beirat gewandt. Vorgeschlagen wird, daß der Wissenschaftliche Beirat der OPCW (SAB) ein »geeignetes Gremium bereitstellen« solle, in dem die Angaben der Inspektoren, die in Douma zu einem anderen Ergebnis gekommen waren, überprüft werden sollten. An dem Überprüfungsprozeß sollten – hinter verschlossenen Türen – die Inspektoren und der SAB beteiligt werden, heißt es weiter. »Objektive und informierte Kommentare, Empfehlungen und Beurteilungen« sollten ausgetauscht werden. Schließlich könnten die Ergebnisse dieses Prozesses veröffentlicht werden, um »vollständige Transparenz und Rechenschaftspflicht« zu ermöglichen. Bis Redaktionsschluß war unklar, ob und wenn ja welche OPCW-Mitgliedstaaten den Vorschlag unterstützen wollen.

Erschwert wird eine vorurteilsfreie Debatte über Syrien in der OPCW durch Sonderstrukturen, die im Laufe der letzten Jahre jenseits der bisher OPCW-internen transparenten Gremien ausschließlich für Syrien geschaffen wurden. Dazu gehört neben den so genannten »Fact Finding Missions« auch das »Investigations- und Identifikationsteam« (IIT), auch »Attributionsteam« genannt. Beide Strukturen sind dem Technischen Sekretariat angegliedert, das immer mehr und nicht kontrollierbare Macht innerhalb der OPCW an sich gezogen hat. Das Attibutionsteam ist befugt, angebliche Chemiewaffeneinsätze auch angeblichen Tätern zuzuordnen. Bisher ist das ausschließlich Aufgabe des UNO-Sicherheitsrates.

Der russische Vertreter bei der OPCW, Botschafter Alexander Schulgin, wies in einer Stellungnahme kürzlich darauf hin, daß die »illegale« Struktur des IIT geschaffen worden sei, um weitere Maßnahmen gegen Syrien zu ermöglichen.