Ausland05. Oktober 2021

Zehntausende Brasilianer gegen Bolsonaro

Nach Zurückhaltung wegen Coronapandemie wird Ruf nach Amtsenthebung des rechtsradikalen Präsidenten wieder lauter

von dpa/ZLV

Zehntausende Menschen haben in mehr als 90 brasilianischen Städten wieder gegen die Regierung von Präsident Jair Bolsonaro und dessen Coronapolitik protestiert. Demonstranten zwischen dem Amazonasbundesstaat Roraima im Norden, wo viele Indigene leben, und Rio Grande do Sul forderten am Samstag unter anderem die Amtsenthebung Bolsonaros, mehr Impfstoffe gegen das Coronavirus und Arbeitsplätze in Zeiten der Pandemie.

Verläßliche Angaben zu den Teilnehmerzahlen gab es nicht. In der Metropole São Paulo etwa gingen die Schätzungen der Organisatoren (100.000) und die Angaben der Polizei (8.000) weit auseinander. Das Nachrichtenportal G1 berichtete aber von Kundgebungen in allen der 26 Bundesstaaten und im Hauptstadtdistrikt.

Die Demonstranten trugen Plakate und Banner mit Aufschriften wie »Bolsonaro raus!« und »Bolsonaro: Völkermörder«. Sie bezeichneten den Präsidenten der Abgeordnetenkammer, Arthur Lira, als »Komplizen«. Dieser kann einen der Dutzenden Anträge annehmen und ein Amtsenthebungsverfahren gegen Bolsonaro eröffnen, gilt jedoch als dessen Verbündeter.

Der Rechtsradikale Bolsonaro hat das Coronavirus von Anfang an verharmlost und Schutzmaßnahmen sowie Einschränkungen abgelehnt. Auch die Wirksamkeit von Impfungen zieht er in Zweifel und hat mehrmals betont, daß er selbst noch nicht gegen Corona geimpft sei. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß zum Corona-Krisenmanagement seiner Regierung läuft.

Soziale Bewegungen und Gewerkschaften hatten zu den Protesten ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen in Brasilien aufgerufen, bei denen der erste Durchgang am 2. Oktober 2022 ansteht. Rund 20 Parteien, unter anderem die linke Arbeiterpartei PT des ehemaligen Präsidenten und potentiellen Bolsonaro-Herausforderers Luiz Inácio Lula da Silva sowie die konservativen PSDB und DEM nahmen laut G1 an den Demonstrationen teil, so daß Beobachter diese auch als Test für die Allianz gegen Bolsonaro werteten. Die Einheit der Opposition dürfte eine ihrer Herausforderungen mit Blick auf die Wahlen sein. Es kam in den vergangenen Monaten immer wieder zu Massenprotesten gegen Bolsonaro, nachdem sich die Linke wegen der Menschenansammlungen in der Pandemie zunächst uneins gewesen war.

Am 7. September hatte Bolsonaro seine Anhänger mobilisiert und demokratische Institutionen eingeschüchtert. Die Zustimmung zu seiner Amtsführung ist im Laufe der Coronapandemie immer weiter gesunken. 53 Prozent der Befragten lehnten die Politik des Präsidenten in einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Datafolha im September ab. Das war das schlechteste Ergebnis für Bolsonaro seit seinem Amtsantritt 2019.