Leitartikel25. August 2021

Unverbindlichkeit reicht nicht!

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Entgegen der einhelligen Forderungen von Weltgesundheitsorganisation WHO, Ärzteverbänden und Konsumentenschützern gibt es immer mehr Werbung für zucker- und fetthaltige Lebensmittel. Im Schnitt werden Kinder 15 Mal am Tag mit Werbespots für ungesunde Lebensmittel konfrontiert.

Die Reklame findet seit ein paar Jahren auch immer öfter im Internet in den vermeintlich »sozialen« Netzwerken statt, wo insbesondere US-amerikanische Lebensmittelmultis wie McDonald’s, Coca-Cola und Mondelez sogenannte Influencer einsetzen, um ihr Junkfood gezielt an Kinder zu vermarkten.

Die sich als beste Freunde gerierenden Idole dieser Kinder und Jugendlichen werben auf Plattformen wie Youtube oder TikTok – eben dort, wo junge Menschen tagtäglich »digital unterwegs« sind. Das ist gefährlich, weil diese in der Regel an der elterlichen Kontrolle vorbeigehende Produktwerbung sozusagen direkt im Kinderzimmer landet.

Das mühselige Bemühen vieler Eltern, ihre Kinder frühzeitig für gesundes Essen zu begeistern, wird so von den Multis nachhaltig konterkariert. Und dabei geht es nicht nur um ein paar Kilos zuviel auf der Waage: In Westeuropa ist mittlerweile jeder fünfte Todesfall auf ungesunde Ernährung zurückzuführen.

Aktuell gelten etwa 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen als übergewichtig, sechs Prozent sogar als fettleibig. Ihnen drohen im späteren Lebensverlauf Krankheiten wie Typ-2-Diabetes, Gelenkprobleme, Bluthochdruck und Herzerkrankungen.

Die mittlerweile von der EU-Kommission mit den Lebensmittelkonzernen ausgehandelte freiwillige »Selbstverpflichtung für mehr Produktsicherheit (Product Safety Pledge)« hat nachweislich nicht zu weniger Werbung für ungesunde Ernährung geführt, weil der kapitalistische Markt es eben nicht regelt.

Nach einer Studie der Universität Hamburg sinkt in Ländern wie Britannien, Irland, Schweden, Norwegen und Chile, wo es gesetzliche Beschränkungen des Kindermarketings gibt, der Konsum von Junkfood bei Kindern signifikant. In Ländern mit freiwilliger Selbstverpflichtung wie Deutschland und nun auch Luxemburg steigt er hingegen weiter.

Die zuständige Ministerin Paulette Lenert täuscht die Konsumenten, die sie eigentlich schützen sollte, indem sie die für die Lebensmittelkonzerne freiwillige Selbstverpflichtung als großen Wurf verkauft, obwohl weiter für die Zucker- und/oder Fettbomben geworben werden darf – auch unter Kindern.

Was wir statt dessen brauchen, ist eine verbindliche gesetzliche Regelung nach den Kriterien der WHO. Nach der dürfen nur ausgewogene Lebensmittel mit gezieltem Kindermarketing beworben werden, sowohl auf den Produktverpackungen, im Fernsehen und in Zeitschriften als auch im Internet.

Wir müssen unsere Kinder vor dieser immer aggressiver werdenden Werbung für Junkfood bewahren. Nach den Kriterien der WHO dürfen zum Beispiel Frühstücksflocken oder Joghurts nur eine bestimmte Menge Zucker enthalten, um an Kinder beworben werden zu können.

Die nach langen Jahren des Nichtstuns Ende Mai auch in Luxemburg eingeführte Lebensmittelampel genannt Nutri-Score, die die gesündere Wahl beim Einkaufen erleichtern soll, ist leider auch auf die freiwillige Mitarbeit der Konzerne angewiesen. Auch hierbei bedarf es dringend EU-weit verbindlicher Vorgaben zur Verwendung des Nährwertlogos. Nur wenn die Ampel auf allen Produkten zu sehen ist, können Verbraucherinnen und Verbraucher auch immer die gesündere Wahl treffen.